Mehr Bürokratie statt Flexibilität

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Der ORF-Generalintendant antwortet auf die in Furche Nr. 16 erschienenen Diskussionsbeiträge zum Thema "Medienanstalt".

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Der ORF-Generalintendant antwortet auf die in Furche Nr. 16 erschienenen Diskussionsbeiträge zum Thema "Medienanstalt".

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Die Debatte. Brauchen wir eine Medienanstalt?

Was bringt eine eigene Medienanstalt eigentlich? Wer soll sie bezahlen? "Cui bono?" - die Frage, wem nützt die Schaffung einer eigenen Medienanstalt in Österreich, muß in der zurzeit geführten Diskussion erst einmal beantwortet werden. Die bisherigen Diskussionsbeiträge aus den unterschiedlichen Lagern haben jedenfalls mehr Fragen offengelassen als beantwortet, auch jene in der Furche vom 22. April (siehe Kasten). Aus der Sicht des ORF ist eine eigene Medienanstalt durchaus entbehrlich. Und das aus verschiedenen Gründen: Zum einen widerspricht die Schaffung einer zusätzlichen Behörde ganz klar dem internationalen Trend in Wirtschaft und Medienindustrie zu Entbürokratisierung, erhöhter Flexibilität und Abschlankung. Eine solche Einrichtung würde mehr Staat, mehr Bürokratie und weniger Flexibilität bringen, und das ist sicher in niemandes Sinn. Und was sollte eine Medienanstalt überhaupt konkret tun außer verwalten und immer neue Bestimmungen und Reglementierungen erlassen, die eher behindern als ermöglichen?

Zum anderen stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit einer Medienanstalt. Hier gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten: Erstens die Finanzierung aus Steuergeldern, zweitens über Beiträge der betroffenen Medien und drittens über eine Mischform aus den beiden erstgenannten Möglichkeiten. In jedem Fall würde dies eine zusätzliche Belastung bedeuten - für die Bürger, die Medien oder beide gemeinsam. Wie das die anderen österreichischen Medienunternehmen sehen, weiß ich nicht. Der ORF braucht seine Einnahmen jedenfalls, um Programm zu machen, und nicht, um eine neue Behörde zu finanzieren. Und ob die Österreicher und Österreicherinnen mit der Finanzierung einer Medienanstalt aus Steuergeldern einverstanden wären, muß auch erst noch geklärt werden.

Die jüngst in der Furche von Heinz Wittmann vorgeschlagene Variante, Landesmedienanstalten nach deutschem Vorbild aus den öffentlich-rechtlichen Programmentgelten zu finanzieren, ist mit Sicherheit kein brauchbarer Weg. Denn der ORF ist - und das wird in der öffentlichen Diskussion immer gerne vergessen - aus Programmentgelten eindeutig unterfinanziert und zur Finanzierung seines umfangreichen Programmauftrags auf Werbeeinnahmen angewiesen. Wenn der ORF seinen gesetzlichen Auftrag in vollem Umfang erfüllen soll, dann kann er in keinem Fall auf einen Teil der Programmentgelte verzichten. Der ORF braucht jeden Schilling, um seine öffentlich-rechtlichen Leistungen - von der Information, über Kultur und Sport bis zur Unterhaltung, den Ausbau des Föderalismus, die weitere Verösterreicherung, Kulturangebote wie Ö1 oder 3sat und vieles mehr - zu finanzieren.

In Deutschland, das in Sachen Medienanstalt immer wieder gerne als Vorbild genannt wird, fällt Rundfunk in die Kompetenz der Länder. In Österreich ist Rundfunk bundesgesetzlich geregelt. Eine Übernahme des deutschen Modells ist daher nicht möglich. In Österreich müßten Landesmedienanstalten und in weiterer Folge eine Bundesbehörde geschaffen werden. Das wäre sehr aufwendig und hätte in einem kleinen Land wie Österreich ein Regulierungswirrwarr zur Folge. Das kann niemand wollen, auch nicht kommerzielle Anbieter. ORF-Kurator Andreas Rudas hat ganz recht, wenn er bemerkt, daß die deutschen Landesmedienanstalten riesige bürokratische Strukturen haben, die riesige Kosten verursachen, und man "das Geld lieber in die Programmgestaltung stecken" sollte. Und auch in Deutschland selbst ist man mit der gegenwärtigen Regelung, die Zeitungsberichten zufolge teilweise recht seltsame Blüten treibt, nicht zufrieden. "Bei soviel Kontrolle sieht sogar die Politik 'Optimierungsbedarf im Regulierungsgestrüpp'", konnte man etwa jüngst in der "Welt am Sonntag" lesen.

Davon abgesehen hat sich das deutsche Modell auch nicht bewährt. Der bürokratische Aufwand für die 15 Landesmedienanstalten und Bundesbehörden - Kommission zur Regelung des Finanzbedarfs (KEF), Kommission zur Regelung der Konzentration im Medienbereich (KEK) - ist enorm hoch. In Deutschland boten und bieten die vorhandenen Landesmedienanstalten keine wirksame Hilfe gegen Konzentrationsprozesse in der Medienbranche. Die Entwicklung der deutschen Medienlandschaft zeigt das deutlich.

Was soll eine Medienanstalt also bringen? Mehr Transparenz, klarere Regelungen, faireren Wettbewerb und weniger Bürokratie? Mit Sicherheit nicht, wie das deutsche Beispiel zeigt. Aus all diesen Gründen ist die Schaffung einer Medienanstalt also kein Heilmittel, schon gar kein Allheilmittel. Die Versäumnisse der österreichischen Medienpolitik können dadurch mit Sicherheit nicht wettgemacht werden. Was wir in einem kleinen Land wie Österreich mit seinem kleinen Medienmarkt brauchen, sind nicht neue, übergewichtige Behörden, sondern klarere gesetzliche Bestimmungen und mehr wirtschaftliches, unternehmerisches Denken.

Der Autor ist Generalintendant des ORF.

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