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Grandiose Zusammenschau
TEILHARD DE CHARDIN. Von Jean Onimus. Übersetzt aus dem französischen Original „Pierre Teilhard de Chardin ou la foi du monde“. Verlag Herold, Wien-München, 1966. 184 Seiten. Preis 112 S.
TEILHARD DE CHARDIN. Von Jean Onimus. Übersetzt aus dem französischen Original „Pierre Teilhard de Chardin ou la foi du monde“. Verlag Herold, Wien-München, 1966. 184 Seiten. Preis 112 S.
Die Literatur, die über und um die Werke Teilhard de Chardins nach dem posthumen Erscheinen seiner Schriften entstanden ist, läßt sich nur mehr schwer überblicken. Das beweist, daß Teilhard de Chardin und sein Werk zu einem Zeitphänomen geworden sind. Es wäre ein Unrecht, zu behaupten, dies sei nur eine Mode wie viele andere auf dem Gebiet der Literatur und Wissenschaft.
Teilhard de Chardin rührt an Tieferem. Sein Anliegen stammt aus der Sehnsucht des modernen Menschen. Unter dem Eindruck der überwältigenden Fortschritte der Wissenschaft und Technik stellt sich der moderne Mensch die Frage, wohin diese Entwicklung letztlich zielt, was es mit dem Menschen von morgen sein wird. Noch nie hat der Mensch so stark wie in unserem Jahrhundert erfahren, daß diese Welt keine fertige Größe hat, sondern sich in Entwicklung befindet und heute wenigstens erst am Anfang einer ganz neuen Entwicklungsstufe steht.
Ferner hat uns noch nie das Auseinanderklaffen der Natur- und Geisteswissenschaften so schmerzlich berührt wie heute. Dieses Auseinanderklaffen hat nicht zuletzt seinen Grund in der rein statischen Weltbetrachtung der Theologie, wie auch der Philosophie einerseits und in der rein innerweltlichen Fragestellung der Naturwissenschaften anderseits.
Dies hat zu einer tiefen Krise der Wissenschaften geführt.
Darin liegt der Grund für das weltweite Interesse an Teilhard de Chardin. Der Autor des vorliegenden Werkes versteht es u. E. sehr gut, in die Geisteswelt dieses Denkers und Mystikers einzuführen. Der kurze, aber exakte Lebensabriß zeichnet in scharfen Linien die Persönlichkeit P. Teilhards. Der zweite Abschnitt sucht die Gedankenwelt darzulegen.
Der Verfasser hebt deutlich genug hervor, daß Teilhard Mystiker war. Seine Ideen sind also mehr intuitiver Natur als logische Folgerungen aus Erfahrungstatsachen. Der Begriff „Entwicklung“ hat daher bei Teilhard nicht einen rein univoken Sinn; er wird nicht nur in der Bedeutung verwendet, die ihm die Naturwissenschaften gegeben haben, sondern vielmehr in einem analogen Sinn. Nur so kann Teilhard, ausgehend vom naturwissenschaftlichen Begriff der Entwicklung, wie er ihn als Anthropologe verwendet, übergehen auf einen ganz anderen Wortsinn von Entwicklung, nämlich die soziologische Entwicklung der Menschheit und die Entwicklung des menschlichen Geistes. Schließlich und endlich kann er auch nur auf diese Weise die Offenbarungstatsachen in die Linie der Entwicklung stellen. Man sieht daraus klar, daß es sich bei dieser Auffassung von
Entwicklung gar nicht um eine lük- kenlose Aufeinanderfolge von Erscheinungen handelt, sondern vielmehr um eine Zusammenschau des ganzen natürlichen und übernatürlichen Bereiches. Teilhard sucht einerseits auf Grund seines anthropologischen Denkens, anderseits aber ganz bewußt auch, um in der Sprache des Naturwissenschaftlers Tatsachen und Wahrheiten auszudrücken. die die Philosophie und Theologie in einer Terminologie ausgedrückt haben, die eben dem modernen naturwissenschaftlich denkenden Menschen nichts sagen.
Es darf in der Gedankenwelt Teilhards nicht ein geschlossenes wissenschaftliches System gesehen werden, sondern vielmehr eine grandiose Zusammenschau und ein Versuch, die Welt des Geistes und der Offenbarung in einen Denkzusammenhang mit der Welt der rein empirischen Forschung zu bringen.
Das vorliegende Werk führt in das Denken Teilhards ein, ohne die Probleme zu verschweigen, von denen die . Ideen Teilhards belastet sind.
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