Thema: Gott Lieben
Im vergehenden Jahr habe ich mehrfach zu Denkwerkstätten zum Titel: "Was glauben Sie eigentlich? Was fällt Ihnen ein?" eingeladen. Traditionell gesprochen ging es dabei um eine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glaubensbekenntnis. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden aber zunächst aufgefordert, einmal ganz ohne theologische, trinitarische, christologische Leitplanken aufzuschreiben, worauf sie in ihrem Alltag vertrauen. Nachgezählt haben wir nicht, aber ich meine, das Wort "Liebe" kam in diesen Vertrauensaussagen öfter vor als "Gott" und "Jesus" zusammen. Und tatsächlich steht der Satz "GOTT ist LIEBE" in der Bibel. Wir finden ihn zweimal im vierten Kapitel des ersten Johannesbriefes.
Wie sollten wir schließlich überleben ohne das Vertrauen, dass in all den Unsicherheiten und Absurditäten des menschlichen Zusammenlebens letztlich etwas Gutes (Mk 10,18) wirkt: Sorgfalt, Fürsorge, Barmherzigkeit? Wir haben es alle am Anfang unseres Lebens erfahren: Kein Kind könnte zur Erwachsenen werden ohne ein Minimum an Zuwendung der Älteren. Und die meisten haben mehr als ein Minimum mitbekommen: Wir wurden genährt, gewärmt, beschützt, gebadet, gebildet, alltäglich-sorgsam ins Zusammenleben der Erwachsenen begleitet. Wie sollten wir daran zweifeln, dass "GOTT uns zuerst geliebt hat" (1 Joh 4,10)? Kann all unsere Liebe zueinander, zur Welt und zum großen Umunsherum aus etwas anderem kommen als aus Dankbarkeit dafür, dass wir da sind, Teil einer unendlich schönen und komplizierten, kaum verstehbaren und doch immer wieder gastfreundlichen, wohnlichen Welt?
"Keiner und keine hat GOTT je gesehen. Wenn wir einander lieben, bleibt GOTT in uns und GOTTES Liebe ist in uns zum Ziel gekommen" (1 Joh 4,12, Bibel in gerechter Sprache).
* Die Autorin ist Germanistin und evang. Theologin in der Schweiz
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