6684756-1962_11_06.jpg
Digital In Arbeit

Angola-nach einem Jahr

Werbung
Werbung
Werbung

Am 14. März wurde der bewaffnete Aufstand in Angola ein Jahr alt. Das Feuer war schon am 4. Februar in Luanda aufgeflackert (Sturm auf die Gefängnisse, Exekutionen), konnte aber nochmals lokalisiert werden. Nach dem Zwischenfall vom 14. März griff es endgültig auf weite Gebiete Angolas über und konnte bis heute nicht eingedämmt werden, trotz eines Truppenaufgebotes von 60.000 Mann.

An diesem 14. März streiken die 4000 Landarbeiter der Plantage „Primavera“, um ihren Lohnforderungen Gehör zu verschaffen. Der portugiesische Manager M. Reis tötet anläßr lieh einer friedlichen Demonstration mehrere Afrikaner; ihre Kameraden lynchen M. Reis, worauf die Vorarbeiter in die Menge zu schießen beginnen. Die Afrikaner fliehen in den Busch. Nachts kommen sie zurück und bringen alle Weißen um. Die Portugiesen der benachbarten Pflanzungen machen unbarmherzig Jagd auf die Schwarzen. Bald greifen Flugzeuge ein und zerstören ganze Eingeborenendörfer. Der Kampf wird auf beiden Seiten mit einer unbeschreiblichen Erbitterung geführt. Englische Korrespondenten berichten, im Vergleich dazu sei der Mau-Mau-Aufstand in Kenya recht „zivilisiert“ gewesen. Ende 1961 gibt es laut einem Bericht des Internationalen Roten Kreuzes in Leopold-ville 126.000 angolanische Flüchtlinge. Ganze Landstriche Angolas sind entvölkert. Der Propagandakrieg tobt nicht minder heftig. Portugal sieht sich in der UNO einer geschlossenen afroasiatischen Front gegenüber; im Sicherheitsrat stimmen die UdSSR und die USA zusammen gegen die portugiesische Kolonialpolitik; Moskau und Peking machen gemeinsame Front ge-

gen den „Faschisten“ Salazar, der nur von Spanien und Südafrika Schützenhilfe erhält. Lissabon versucht beharrlich, alle Unabhängigkeitsparteien Angolas in den Ruf des Kommunismus und der Korruption zu bringen. Der Zuschauer im Westen ist verwirrt, es wird ihm von allen Seiten Propaganda an den Kopf geworfen. Die Akteure im Osten aber gehen zielbewußt an die Arbeit.

Assimilation, aber langsam

Die Engländer haben ein Sprichwort: „Gott schuf weiße und schwarze Menschen, die Portugiesen aber schu-

fen den Mulatten.“ Mit Stolz weisen die Portugiesen auf ihren freundschaftlichen Umgang mit den Schwarzen hin: Schon im 17. Jahrhundert nahm da Jesuitenkolleg von Luanda weiße wie schwarze Schüler auf. In Hotels arbeiten europäische und afrikanische Kellner. In den Restaurants gibt es keine diskriminierenden Plakate („Nur für Weiße“). Aber diese sind gar nicht nötig, um die Afrikaner fernzuhalten, denn sie können sich finanziell ein Mittagessen in einem europäischen Restaurant nicht erlauben. Die Schwierigkeit in der Assimilationspolitik liegt darin, daß jedem Schwarzen rechtlich garantiert ist, was er sich wirtschaftlich nicht leisten kann.

Laut offiziellen Quellen sind 400.000 der 800.000 angolanischen Arbeiter als contratados (Zwangsarbeiter) beschäftigt. Die Afrikaner seien faul und müßten erst zur Arbeit gezwungen werden, argumentieren die Portugiesen. Die Zwangsarbeit wird als das größte soziale Übel Angolas betrachtet, so vom amerikanischen Journalisten John Gunther (Inside Africa, 1955) und vom ehemaligen Gouverneur Henrique Gal-vao, der für diese Kritik ins Gefängnd wanderte. Die Konferenz der Bischöfe Afrikas hat sich 1957 dazu geäußert: „ ... es ist nicht erlaubt, von der Arbeit derjenigen zu leben, denen man alle wirtschaftlichen Vorteile voraus hat... Niemand kann dazu gezwungen werden, seine Familie, Heim, Dorf und materielle Güter aufzugeben...“ Zur Zwangsarbeit, für die natürlich nur Afrikaner in Frage kommen, also nicht die dünne Schicht der Assmilados (zirka 50.000) oder etwa gar die Europäer (115.00), kommt die demütigende körperliche Züchtigung, die gänzlich ungenügende ärztliche Be-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung