6711976-1964_25_05.jpg
Digital In Arbeit

Ein SPo-Bruderzwist

Werbung
Werbung
Werbung

Seit jenen Spätsommertagen des Vorjahres, als der Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und Obmann der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist, der österreichischen Öffentlichkeit gegenüber auf den bei uns angeblich bestehenden „Rentenluxus“ hinwies und sein Parteigenosse, der Klubobmann der SPÖ und Direktor der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Robert Uhlir, die Idee Hillegeists, Rentnern beziehungsweise Sozialpensionisten bereits zugesprochene Leistungen einzustellen, als absurd bezeichnete, herrscht zwischen den beiden SPÖ-Fach-leuten ein latenter Gegensatz.

Wollte Hillegeist die so sehr angefeindeten Ruhensbestimmungen des 94 ASVG nicht nur beibehalten

und sogar die bereits seit 1960 aufgehobenen wieder in Wirksamkeit setzen, so stellte sich Uhlir auf die Seite derer, die sich ihre völlige Aufhebung zum Ziel gesetzt hatten.

Und wie die Fachleute, so reagierten auch die von ihnen geleiteten Anstalten verschieden.

„Sinnwidrig“ und „fast unerträglich“

In den letzten Tagen erreichte nun dieser Kampf der beiden SPÖ-Prominenten seinen Höhepunkt Uhlir wandte sich in einer Erklärung an die Öffentlichkeit und bezeichnete in einem Leserbrief an die Wiener „Presse“ die weitere Aufrechterhaltung des 94 ASVG als „sinnwidrig, ja fast unerträglich“. Er habe die Absicht, bei den gerade jetzt unter dem Vorsitz von Vizekanzler Dr. Pittermann stattfindenden Verhandlungen über die Rentendynamik für die völlige Aufhebung der Ruhensbestimmungen einzutreten. Er wies mit Recht darauf hin, daß solche Bestimmungen vielleicht in einer Zeit der Wirtsohaftsdepression, niemals aber in einer solchen der Hochkonjunktur vertretbar seien, wo man Arbeitskräfte aus dem Ausland importieren müsse. Gerade unter den Sozialpensionisten befinden sich viele Facharbeiter mit großen Erfahrungen, die noch arbeitsfähig und arbeitswillig wären, durch die zu erwartende Pensionskürzung aber davon abgehalten werden, neuerlich ein Beschäftigungsverhält-nis anzutreten. Das gelte aber eben nur für die Angestellten der Privatwirtschaft, nicht aber für die des öffentlichen Dienstes.

Zu den so bedeutsamen rechtlichen Einwendungen gegen den 94 ASVG — wird doch seine Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf den Gleichheitssatz unserer Bundesverfassung immer wieder behauptet — nahm Uhlir allerdings Stellung, obwohl das Obergericht Wien, die derzeitige Letztinstanz im Sozialgerichtsverfahren, erst im Herbst des Vorjahres neuerlich auf diesen Umstand hingewiesen hat. Sich damit zu befassen, ist allerdings ausschließlich die Sache des Verfassungsgerichtshofes.

In dieser Hinsicht war man allerdings in der Provinz auch nicht müßig gewesen. Es gelang in der Steiermark vor allem den Kammern der Zivilingenieure und der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater für die Frage der Aufhebung des 94 ASVG aus den vorgenannten rechtlichen Gründen Landeshauptmann Krainer zu interessieren, der schon im Jahr 1960 beim Verfassungsgerichtshof nach Artikel 140 der Bundesverfassung den Antrag auf Uberprüfung der Ruhensbestimmung des 93 ASVG (Bentenkür-zung bei Bezug einer öffentlich-rechtlichen Pension) gestellt und erreicht hatte, daß dieser die angeführte Gesetzesbestimmung wegen Verfassungswidrigkeit aufhob.

Krainer hat auch diesmal von der Rechtabteilung der Landesregierung edn Gutachten gefordert, das sich dem Vernehmen nach für eine Intervention der steirischen Landesregierung in der obgenannten Hinsicht eingesetzt hat. Es wird somit in Bälde unserem höchsten Areopag Gelegenheit gegeben sein, in dieser viele zehntausende Rentner und deren Angehörige betreffenden sehr bedeutsamen Frage Recht zu sprechen.

Wie dieser Spruch ausfallen wird, darüber kann schon jetzt kein Zwei-fei sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung