7113803-1996_07_20.jpg
Digital In Arbeit

Golo Manns Menschenbilder

Werbung
Werbung
Werbung

Hitlers Verschwörung habe den Zweck, Macht zu begründen und zu erweitern und alles zu zerstören, was der Machterweiterung im Wege stehe. Er sei darum der Feind aller echten Bindungen, aller Traditionen, Hitler wolle alles, was er bekommen könne, und Ruhe werde er nie geben. Das schrieb Hermann Rauschning, vor 1933 als Senatspräsident von Danzig noch für die Nationalsozialisten, drei Jahre später von der Einsicht über das wahre Gesicht des neuen Machthabers zur Emigration in die Schweiz gedrängt.

Er schrieb es 1938, als noch viele im In- und Ausland glaubten, Hitler werde sich mit dem Erreichten zufriedengeben. Das, was man zu tun plane, so schrieb er den Gegnern des Unrechtsregimes aus dem Exil sozusagen ins Stammbuch, müsse man bald tun, es würde sonst ein Zeitpunkt eintreten, wo man die Gesamtheit des Volkes für die Aktionen seiner Regierung werde verantwortlich machen müssen.

Wer kennt heute wenigstens den Namen dieses Mannes, den Golo Mann in einem historischen Porträt eindrucksvoll beschreibt? In einem anderen Essay zeichnet er ein Charakterbild von Helmuth James von Moltke, dem Mitbegründer des Kreisauer Kreises von Widerstandskämpfern, der zum Vordenker für die Zeit nach dem erstrebten Fall des verbrecherischen Regimes wurde und deshalb, weil er dachte und plante (aber nicht selbst putschte!), nach dem 20. Juli 1944 hingerichtet wurde.

Der Historiker Golo Mann schildert die Charaktere und Lebenswege weiterer berühmter Männer: des Soziologen Max Weber und des Staatsmannes Otto von Bismarck (mit einigen sehr gescheiten Überlegungen, die man in den vielen Bismarck-Biographien kaum oder gar nicht findet), auch des Kämpfers für die südamerikanische Unabhängigkeit Simon Bo-livar und des englischen liberalen politischen Schriftstellers Lord Acton, der ein halbes Jahrhundert vor den Verträgen von Versailles und St. Germain (und 150 Jahre vor dem jetzigen Bosnienkrieg!) schrieb, ein nach Kriegen auf dem Nationalitätenprinzip gegründeter Friede könne nicht dauerhaft sein.

Diese und einige weitere historische Skizzen sind zum größten Teil schon vor über 20 Jahren in der Sammlung „Zeiten und Figuren" herausgegeben worden. Es ist verdienstvoll, daß sie jetzt erneut erschienen sind. Nur schade, daß der Verlag sie nicht durch Illustrationen ergänzt und so zu echten Menschenbildern gemacht hat.

WISSEN UND TRAUER

Historische Porträts und Skizzen Von Golo Mann. Reclam Verlag, Leipzig 1995. 247Seiten, Tb., öS 141,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung