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Das Sterben geht weiter

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Als am 15. November 1970 das „Volksblatt“ eingestellt wurde, wurde als erste Reaktion erklärt, daß eine angeblich nicht gute Redaktionsführung und eine angeblich nicht gute Wirtschaftsführung die Ursachen der Einstellung gewesen seien. Als kaum 14 Tage später die Existenz des „Express“ gefährdet war und dieser nur noch durch einen Wechsel des Eigentümers gerettet werden konnte, fast gleichzeitig aber auch die „Neue Zeitung“ von einer Tageszeitung zu einem Wochenblatt umfunktioniert wurde, war jedermann klar, daß sich auf dem Wiener Zeitungsmarkt Vorgänge abspielten, die eine Parallele zum allgemeinen Zeitungssterben in der Welt darstellen. Inzwischen ist auch die „Wochenausgabe“ vom Markt verschwunden, die einst

Fritz Molden gegen eine horrende Leibrente von der ehemaligen Eigentümerin gekauft hatte, um später die Hälfte dieses Eigentums an Falk und Dichand abzutreten. Bei einer Auflage von 50.000 Stück war die Zeitung nicht mehr zu halten gewesen. Und wie lange das „Forum“ noch bestehen bleibt, ist eine Frage der Zeit. Dr. Nenning war dem Pressehaus, das bis vor kurzem diese Zeitschrift herstellte, 600.000 Schilling schuldig. Wäre diese große Summe nicht inzwischen beglichen worden (wobei sich jedermann fragen muß, wer Dr. Nenning eine solche Summe zur Verfügung stellen konnte), würde es das „Forum“ wahrscheinlich auch nicht mehr geben.

Jetzt soll es auf einer eigenen Maschine gedruckt werden, die Doktor

Nenning aus Italien erhalten hat. Das Pressehaus, zu 51 Prozent im Besitz der BAWAG und zu 49 Prozent im Besitz von Falk und Dichand, hat inzwischen die gesamte Buchdruckabteilung aufgelöst Denn Fritz Molden, der nicht nur das Pressehaus verkauft hat, sondern auch aus dem Haus seihst ganz ausgezogen ist, läßt seine Bücher im Pressehaus nicht mehr hersteilen. Damit ist diese Abteilung überflüssig gewort’ _n. Falk wäll inzwischen, wie Gerüchte verlauten, das Pressehaus zur größten und stärksten Rotationsdruckerei Wiens und Österreichs aufbauen. Er bemüht sich um die Druckerei Metten, die im Besitz von ÖVP-Bünden steht, aber mit angeblich 40 Millionen Schilling an die Volksbanken verschuldet ist, seinem Untemeh- men einzugliedem, so daß Metten samt Maschinen und Druckaufträgen Gesellschafter des Pressehauses wird. Ähnliches will Falk auch anderen Druckereien vorschlagen. Falls ihm dieser Plan gelingt, sollte es in Wien nur noch die beiden Großdruckereien von Dr. Polsterer und das Pressehaus geben.

Tod der „Steyrermühl“

Denn auch die „Vorwärts“-Druckerei soll aufgelöst werden. Die Rotationsaufträge sollen ins Pressehaus wandern, die Offsetaufträge dagegen zur Druckerei „Elbemühl“. Dieser Plan ist schon alt und soll von Generaldirektor Pogats stammen, der darauf verwiesen hatte, daß eine Modernisierung der veralteten Vor- wärts-Druckerei viel mehr Gelder verschlingen Würde, als der Ankauf modernst eingerichteter Unternehmungen.

Die „Steyrermühl“-Pruckerei in der Wiener Gumpendorferstraße hat ebenfalls ihre Pforten geschlossen. Immerhin gehörte der „Steyrermühl“ einst eine der größten Tageszeitungen der Monarchie, nämlich das „Neue Wiener Tagblatt“. Bis zum

Jahr 1918 gehörten 90 Prozent der Aktien Rudolf Sieghart, dem berühmten Gouverneur der Bodenkreditanstalt, deren Zusammenbruch im Jahr 1930 Österreich zutiefst erschütterte.

Fast zur gleichen Zeit, da diese Umgruppierungen im Wiener Druckereigewerbe stattfinden, beleuchtete ein Kongreß, veranstaltet vom Buch- kluto der Jugend, die triste Lage des Buches auf dem Jugendsektor. Nur 1,8 Bücher werden pro Jahr ln Österreich für Jugendliche erworben. Diese traurige Nachricht wird aber noch überboten durch den Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung“ über einen internationalen Kongreß in Zürich, veranstaltet vom Gottlieb- Duttweiler-Institut, der sich mit dem Schicksal des Buches in der Zukunft beschäftigte. Das Fazit dieses Kongresses war vernichtend, es lautete: Das Ende des Lesezeitalters ist gekommen. Der Kongreß warf allen Ernstes die Frage auf, ob es in einem Jahrzehnt Bücher überhaupt noch geben werde. Auch dliese Entwicklung wird nicht ohne Einfluß auf das Wiener Druckereigewerbe bleiben.

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