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Kinderwelt im Buch

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Ausgehend von Christine , Nöstlingers These, daß man sich an gelebter Kindheit orientieren muß, wenn man über Kinder und für Kinder schreibt, beschäftigte sich eine Tagung des Internationalen Instituts für Jugendliteratur und Leseforschung in Krems mit der Frage, wie Kindheit heute gelebt, und wie sie im Kinder- und Jugendbuch widergespiegelt wird.

Dabei wurde das Buch nicht isoliert, sondern im Kontext mit dem Angebot und den Einflüssen anderer Medien gesehen.

Ivar Frones und Trond Waage eröffneten die Veranstaltung mit einem Multimedia-Programm über die Welt, wie sie Kindern im Fernsehen und über Videos angeboten wird. Inwieweit gibt es überhaupt noch eine eigene „Kinderwelt“? Existieren in unserer „Parabolkultur“ überhaupt Voraussetzungen, in denen sich Spiel und Phantasie

kreativ entwickeln können?

Anhand eindringlicher Programmausschnitte zeigte sich, daß TV, Video und Werbung dem Spiel der Kinder Impulse geben, die wenig zu tun haben mit dem, was im Bilderbuch geboten wird, sondern ein durchaus erwachsenes Verhalten suggerieren. Fernsehen und Spielzeug wie etwa die Glamour-Puppe Barbie, entsprechen einander in vielem und fördern jedenfalls ein ganz anderes Spiel verhalten und eine Art von Bildersprache, die mit den alten Symbolen aus den Kinderzimmern nichts mehr zu tun hat.

Ähnliche Ansätze zur Manipulation von Kindern zeigen - nach einer Analyse von Ingrid Geretschlä-ger - Zeitschriften und Zeitungen, die Kindern angeboten werden. Durch die großen Auflagen und das

Sponsorsystem, das für junge Leser nicht immer durchschaubar ist, stellt sich als wichtige Aufgabe für den Erzieher, den jungen Menschen Zusammenhänge klarzumachen, die ihnen sonst verborgen blieben.

Malte Dahrendorf und Hans-Georg Noack setzten sich mit der Frage auseinander, wieweit das Kinder- und Jugendbuch die heutige Kindheit so zeigt, wie sie ist. Hans-Georg Noack verwies dabei darauf, daß viele Autoren für junge Menschen eher mit „Rückspiegel“ arbeiten als mit einer „Spiegelreflexkamera“. Trotzdem führten beide eine Reihe von Büchern an, die zum Lesen anregen und Probleme, mit denen Kinder heute konfrontiert werden, bewältigen helfen. Daß es Autoren gibt, die dies ernsthaft und mit großem Erfolg

versuchen, bewies ein Autorenabend mit Gudrun Pausewang, deren Buch „Die Wolke“ inzwischen zu einer Art Kultbuch für junge Menschen geworden ist und das den Deutschen Jugendbuchpreis 1988 erhalten hat. In der Diskussion mit ihr sowie in Gesprächen über Zukunftsvisionen in der Kinder- und Jugendliteratur wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht zu viele Negativbilder in der gegenwärtigen Jugendliteratur gebe. Anscheinend rütteln Bücher, die die Auswirkungen einer Katastrophe zeigen, wesentlich mehr auf als positive Zeichnungen der Zukunft. Gudrun Pausewang betonte, daß es ihr darauf ankomme zu zeigen, daß jeder aufgerufen sei, zum Umdenken beizutragen.

Pawel Frenkel aus der Sowjetunion berichtete über Reaktionen in

der Kinder- und Jugendliteratur auf die Perestrojka. Viele junge Menschen hätten den Eindruck, die Jugendliteratur hinke allzusehr hinter der Realität her, neben vielen alten Ausgaben gebe es erst wenige neue Bücher, die offener auf die Fragen der Gegenwart eingingen. Viele gute neue Manuskripte ließen in der nächsten Zeit auf die Erneuerung der Jugendliteratur hoffen, Tabus der Vergangenheit seien gebrochen.

Die Leiterin des DDR-Zentrums für Kinder- und Jugendliteratur, Sabine Mähne, konnte wohl über interessante Trends in der Kinderliteratur berichten, das politische Geschehen bliebe aber in diesen Büchern eher ausgespart. Probleme des Erwachsenwerdens, der Familien und der Partnerschaft würden häufig aufgegriffen.

Besonders lebhaftes Echo fand bei dieser Tagung ein Arbeitskreis über „Liebe und Sexualität in der Kinder- und Jugendliteratur“, der zeigte, daß vielleicht auch in unserem Land noch lange nicht alle Tabus gebrochen sind.

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