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MobiKsierungsschub für die Lehnstuhldemokraten

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Einen kreativen Mobilisierungsschub, den die so gern zitierte „Basis“ trägt, erlebt derzeit Niederösterreich. Unter der Bezeichnung „Zukunftswerkstatt“ ist in allen 21 Bezirken des Bundeslandes ein Ideenwettbewerb entstanden, ein für Ideen und Vorschläge aller Mitbürger offenes Forum.

In der richtigen Erkenntnis, daß viele Ideen verborgen bleiben, weil sie nicht aktiviert werden, sollen möglichst viele Mitbürger angesprochen werden, die Gestal tung des unmittelbaren Lebensraumes im Bezirk selbst in die Hand zu nehmen.

Und dies in einer Gesellschaft, in der (zu) vieles durch staatliche Institutionen vorweggenommen scheint, in der ausufernder bürokratischer Einfluß manche Initiativen erstickt. Nun aber sollen und können die Bewohner selbst die zukünftige Entwicklung „ihrer“ Region konzipieren und — was noch wichtiger ist — auch verwirklichen.

Allein im Bezirk Mödling haben sich Hunderte gemeldet, die mitdenken, mitmachen und mitentscheiden wollen. In zahlreichen Arbeitskreisen werden — um die thematische Vielfalt anzudeuten — Möglichkeiten der Ansiedlung „sanfter“ Betriebe, gemeinsamer Kulturaktivitäten von Nachbargemeinden, Chancen der Ortsentwicklung, Fragen des Zivilschutzes sowie notwendige Maßnahmen regionaler Umweltpolitik diskutiert.

Gleichsam als bezirksweite

Rn r f*pri n i ti a ti VP hat im ppsamt.pn

Land unter der Enns das Nachdenken über die weitere Verlebendigung der Regionen eingesetzt. Dabei bilden sich spezifische Schwerpunkte heraus, die nicht zentral empfohlen, sondern dezentral festgelegt werden.

Wobei vor allem attraktiv wirkt, daß die „Zukunftswerkstatt“ nicht nur dazu einlädt, vielfältige Ideen zu produzieren, sondern auch die Chance gibt, daß viele dieser Vorschläge verwirklicht werden.

Bei der Start-Veranstaltung in Perchtoldsdorf hatte Gerhart Bruckmann dazu aufgefordert, die weitverbreitete „Lehnstuhldemokratie“ , die Politik bestenfalls als konsumierbar erleben läßt, zu verlassen. Und dazu sind, wie die von der „Zukunftswerkstatt“ ausgelöste Bewegung der Ideen zeigt, mehr bereit, als sich manche träumen lassen.

Die regionalen „Ideenfabriken“ haben eine Größenordnung erreicht, die auch Ausdruck der selbstbewußten Aufbruchstimmung ist, die sich nach dem positiven Votum für die Landeshauptstadt entfaltete.

Die Entscheidung zugunsten eines neuen Zentrums war auch eine zugunsten einer generellen Aufwertung der Regionen. Dieser

Gleichklang zentraler Gründerund dezentraler Vitalisierungs- Initiative fand gerade deshalb breite Akzeptanz. Er wurde zum Symbol eines gewachsenen Landesbewußtseins, was viele Beobachter nicht erkannten oder absichtsvoll nicht bemerkten.

Für die beginnende Regionalisierungs-Welle stellt die Landesregierung beträchtliche Mittel zur Verfügung. Nun wird von allen Landesparteien dieses Konzept mitgetragen, für das Landeshauptmann Siegfried Ludwig mit seiner Partei anfangs alleine warb.

Während es der eingespurte Weg ist, öffentliche Mittel durch zentrale Zuweisung zu verteilen, wurde in Niederösterreich ein unkonventioneller Weg eingeschlagen: der Bürger selbst soll festlegen, welche Projekte ihm zur Verbesserung seiner Lebensumwelt wichtig sind.

So wird das Konzept der „Zukunftswerkstatt“ zu einem Begriff, der in der politischen Kultur qualitativ neu ist! Wird doch die Leitidee der „Dezentralisierung“ konkret erlebbar, weil Aufgaben und Entscheidungen nach unten verlagert werden.

Diese Praxis läßt Politik von unten entstehen, die den Heimat- Bezirk qualitativ verändert.

Aus passiver Betroffenheit, die Politik von oben hinnimmt, wird aktive Beteiligung, die Zukunft von unten entwirft und umsetzt. So wird diese Ideen-Werkstatt zum Modellfall praktizierter Demokratie, die dazu ermuntert, den Lehnstuhl zu verlassen, in dem sich zwar wohlig zuschauen, nicht aber konkret mitgestalten läßt.

Der Autor ist Leiter der „Zukunftswerkstatt“ im Bezirk Mödling.

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