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„Oststinker“?

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Kommt mit dem Aufbruch im Osten, kommen mit den Ungarn, Tschechen, Polen und DDR-Bürgern zusätzliche Umweltprobleme auf uns zu?

Diese nicht immer taktvoll gestellte Frage hat einen unleugbar harten Kern. Da wären einmal die Fahrzeuge, PKWs wie Busse, die lärmen und qualmen, wie es hierzulande längst verboten ist. Aber selbst wenn unsere Nachbarn, was unwahrscheinlich ist, schon bald unseren Automobilen Standard erreichten, bliebe immer noch das deutlich erhöhte Verkehrsaufkommen. Wie wenig davon auf die Schiene zu bekommen sein wird, zeigte das letzte Wochenende: Von über 200.000 Tschechen kamen trotz Sondermaßnahmen nur rund 3.000 per Bahn.

Zweitens besteht die Sorge, daß der enorme Nachholbedarf beim Konsum zunächst mit den bekannt umweltverachtenden Produktionsanlagen unserer östlichen Nachbarländer gedeckt wird. Und wer könnte es ihnen verargen, daß die Umstellung auf umweltfreundlichere Verfahren nicht ihre größte Sorge ist?

Ganz abgesehen einmal davon, daß es schäbig ist, angesichts der historischen Vorgänge die Nase über ein paar stinkende Trabis und Skodas zu rümpfen. In Wahrheit ist das, was in Ungarn, der CSSR, in Polen und der DDR passiert ist, die große Chance für unsere Umwelt! Wir können jetzt nämlich berechtigt hoffen, daß mit einem freien Wirtschaftsund Gesellschaftssystem nun auch im Osten die Umwelt endlichjenen Stellenwert in der Wertehierarchie wie bei uns bekommt. Und daß man sich dann dort auch dank der gesteigerten Effizienz der Wirtschaft, Umweltschutz auch ohne Konsumverzicht leisten kann.

Ohne den demokratischen Aufbruch hätten wir für unsere Umwelt noch lange keine Entlastung aus dem Osten erwarten dürfen. So wie bei der Versorgung hat das jetzt abgelöste System auch beim Umweltschutz vollkommen versagt. Trotz geringerer Produktion sind die Umweltschäden in Polen, der DDR und der CSSR größer als in allen westeuropäischen Ländern. Wegen des schlechten Wirkungsgrades ist beispielsweise der Verbrauch an Primärenergie pro Kopf in der CSSR gleich hoch wie in den USA. Und während in Österreich die Schwefeldioxid-Emissionen bereits unter 20 Kilo pro Kopf liegen, rieseln -nach einer Studie des Institutes für angewandte Systemanalyse (IIASA) - auf die Ungarn, Tschechen und Ostdeutschen noch immer zwischen 150 und 280 Kilo herunter.

Seien wir also freundlich zu den Trabis, Ladas und Skodas: Je zahlreicher und schneller sie zu uns kommen, desto weniger besteht die Gefahr, daß die Zeit noch einmal zurückgedreht wird!

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