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Sozialsnobs Modeschwarm

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Auch mit dem zweiten Griff in das Ur- und Erstaufführungsangebot bewies das Team Hans Hollmann — Klaus Völker wenig Fingerspitzengefühl. Was jetzt in der Basler Komödie als Bühnenerstling des Lyrikers Frank Geerk seine Welturaufführung erlebte, kam ebenso wenig über reine Klischeevorstellungen biederer Weltverbesserer hinaus, wie Athay-des „Donha Margarida“ im Dezember vergangenen Jahres. Frank Geerk, geborener Schweizer (ein Geburtsdatum wird verschwiegen) und bisher nur mit einem Band von 77 Gedichten mit dem Titel „Notwehr“ in Erscheinung getreten, fühlt sich als Provokateur der Linken und möchte mit seinem Stück „Schwärmer“ die ungeheure Arroganz sozialistisch engagierter Intellektueller anprangern. Er wirft jedoch zu viel auf einmal in den gleichen Topf: die „Sozialsnobs“; die den Sozialismus zu einer „kapitalistischen Modenschau“ machen ebenso wie den Hilfsarbeiter Nero, der zu dumm ist, zu erkennen, was gespielt wird oder die Psychologie-doktorandin, die immer erst ihre Fachliteratur zu Rate ziehen muß. Sie alle kommen schlecht weg — einzige Ausnahme die tschechische Sportstudentin Sascha, die eigentlich gar nicht in diesen Kreis gehört, da „von der Straße, vom Kommunismus“ erzogen.

Als Programmheft gab's das abgedruckte Stück — eine gar nicht so abwegige Idee, denn der Durchschnittstheaterbesucher mußte 'sich schon recht gut in der Welt der Psychotherapie und Psychoanalyse auskennen, um nicht auf Geerks zweieinhalbstundenlangem Kolleg über die „Indoktrination kapitalistischen Klassenbewußtseins“ in der Welt der Linksintellektuellen hereinzufallen. Um die Sache etwas publikumsfreundlich aufzulockern, gab's dann und wann pikant eingestreute Intimsphärenenthüllungen der einzelnen Paare, die jedoch nur zu Lachern an falschen Stellen reizten und am Schluß die recht massiven Buh-Rufe

(die sich mit euphorischem Beifall die Waage hielten) nicht verhindern konnten.

Die magere Handlung gibt dem Autor Gelgenheit, den Großteil des Abends mit einem Psychodrama auszufüllen, um den vermeintlichen Kapitalisten zu Selbsterkenntnis und Läuterung zu bringen. (Psychodrama lt. Brockhaus: psychotherapeutische Methode, bei der die Patienten ihre Konfliktsituation schauspielerisch vorführen, um das Freiwerden von sich selbst anzuregen). Doch der Hilfsarbeiter Nero kapiert nichts: nach Beendigung der Gehirnwäsche und Klärung des Irrtums möchte er nichts weiter als selbst Unternehmer werden. Die Schizophrenie ist total.

Inszeniert wurde dies im gepflegt modernen Bühnenbild (Hans Georg Schäfer) von Rene Scheibli. Gespielt wurde ganz hervorragend und dies rettete das Stück vor dem totalen Durchfall. Der Autor freilich hat sein Ziel, „den latenten Faschismus mit Mitteln der Kunst zu offenbaren“, nicht erreicht. Vorsichtshalber wurde das Stück erst gar nicht ins Abonnement aufgenommen.

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