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Steuersenkung

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Der mächtige ÖGB fordert eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, doch der Finanzminister trotzt mit Hinweis auf die prekäre Budgetsituation. Franz Vranitzky wird dar ob in den Medien fast wie ein Held gefeiert, die Gewerkschaft und die Opposition, die Beifall klatscht, werden entsprechend geohrfeigt und müssen sich „konzeptlose Effekthascherei” (Jens Tschebull im „profil”) vorwerfen lassen.

Die Medaille hat wie immer zwei Seiten. Die eine ist, daß in den Budgets der kommenden Jahre (FURCHE 171 85, S. 1) rein rechnerisch tatsächlich kein Platz für eine Steuersenkung ist. Wegen der enormen Lasten der in der Ära Kreisky großzügig gemachten Staatsschulden wird es für den Finanzminister auch ohne Steuersenkung schwer genug sein.

Die andere Seite der Medaille ist freilich, daß eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer längst überfällig ist (was übrigens auch von Franz Vranitzky gar nicht geleugnet wird). Allein durch die Lohn- und Gehaltserhöhungen zum Ausgleich der Geldentwertung (also ohne „wirkliche” Einkommenserhöhung) sind viele Österreicher in Steuerstufen hineingewachsen, die für ein viel höheres Einkommensniveau vom Gesetzgeber vorgesehen waren (sogenannte „kalte Steuerprogression”). • Oder sollte es wirklich vom Gesetzgeber so konzipiert sein, daß jemand, der nur 8.000,—S brutto pro Monat verdient, bereits rund 1.900 S an den Finanzminister und die Sozialversicherung abliefern muß und von einem Tausender Gehaltserhöhung nur rund 600 Schilling auf die Hand bekommt?

Bei einem Monatsgehalt von 15.000 S — auch noch kein Bonzenbezug — bleiben bloß 10.000 S übrig, von einem zusätzlich verdienten Tausender nur 547 S. Bei 30.000 S Monatsgage sind es 17.684 bzw. nur mehr 449 Schilling. Angesichts dieser Zahlen bedarf es kaum mehr vieler Worte, um die Leistungsfeindlichkeit der derzeit geltenden Steuer- und Sozialversicherungssätze klarzumachen.

Mag sein, daß es aus gesamtwirtschaftlichen Gründen jetzt trotzdem besser ist, auf eine Steuersenkung zu verzichten. Nicht verzichtet kann freilich werden auf die Klarstellung, daß das nicht das unabweisliche Ergebnis von schweren Zeiten ist, in denen alle ihr Solidaritätsopfer bringen müssen. Es ist das Ergebnis von jahrelang verschlampten Reformen bei den ÖBB, der Verstaatlichten Industrie und der Sozialversicherung. Allein mit den Milliarden-Verlusten der Auslandsabenteuer der VOEST ließe sich zumindest für die Bezieher kleiner Einkommen eine beachtliche Steuersenkung finanzieren.

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