7067985-1992_12_05.jpg
Digital In Arbeit

Wider die akademische Inzucht

Werbung
Werbung
Werbung

Um ausnahmsweise ein Spezial-problem meines engeren Tätigkeitsbereiches der Universität zur Sprache zu bringen: Minister Busek wurde von verschiedenen Seiten kritisiert, weil er sich in gar manchen Berufungsfällen über die von den zuständigen Gremien der Universitäten und Hochschulen vorgenommene Reihung hinwegsetzte und oft nicht den durch die Erst- oder Zweitreihung Favorisierten zum Zug kommen ließ.

Nun hat Busek in seiner Antwort auf diese Vorwürfe darauf hingewiesen, daß er in all diesen Fällen aufgrund einer Qualitätsprüfung vorgegangen sei und daher dort, wo es sachlich gerechtfertigt erscheine, ausländische Bewerber inländischen und auswärtige Bewerber sogenannten Hauskandidaten der jeweiligen Universität den Vorzug gebe.

Damit hat der zuständige Ressortchef auf ein Problem aufmerksam gemacht, das sich tatsächlich zunehmend stellt. Denn das Universitätsorganisa-tionsgesetz hat entgegen den Intentionen der Initiatorin und Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg nicht zu einer größeren Mobilität im Universitätsbereich und nicht dazu geführt, daß nur die Besten an der Universität bleiben und die anderen in andere gesellschaftliche Bereiche abwandern. Es ist ini Gegenteil zu einer Art Ersitzungsmentalität und -praxis gekommen, die die akademische Laufbahn als einen Toboggan betrachtet, der einen langsam, aber sicher, nach oben zieht. Der Automatismus, mit dem der Titel „Professor" unter Verwischung der Unterschiede zwischen den verschiedenen Kategorien dieser Funktion früher oder später allen Habilitierten oder auch nicht Habilitierten verliehen wird, führte bereits zu einer inflationären Abwertung des Titels.

Der Gipfel dieser Ersitzungs-praxis und Automatik wird aber dann erreicht, wenn der hochgediente Angehörige einer Universität auch an derselben zu den höchsten Würden aufsteigt und freiwerdende Ordinariate besetzt. Auch bei guter Qualität stellen sich, wenn eine solche Praxis zum Regelfall wird, so wie bei der natürlichen Fortpflanzung einander allzu Nahestehender, Degenerationserscheinungen ein, denen man nur durch Blutauffrischung von außen entgegenwirken kann. Bei gleicher Qualifikation sollte man zwar dem Inländer vor dem Ausländer, aber auch dem Externen vor dem Hausgemachten den Vorzug geben.

Der Minister ist also gut beraten, wenn er dem Hang der Universitäten, möglichst wenig zu suchen und sich an das Naheliegende zu halten und auf der Linie des geringsten Widerstandes zu bewegen, entgegenwirkt. Ja es wäre ihm auch zu raten, Vorschläge, die einen genehmen Hauskandidaten dadurch gegen Konkurrenz abschirmen wollen, daß man ihn als einzigen - primo et unico locö - präsentiert, zurückweist und die Wahl zwischen Alternativen sicherstellt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung