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Zu neuen Wegen
Paul Weß geht in seinem Buch von der Frage des Priestermangels aus. Aber er sieht sie in größerem Zusammenhang. Und da zeigt sich unausweichlich, daß die „Versorgungskirche“ — jenes Kirchenverständnis, das die Kirche in zwei Hälften, den seelsorgenden Klerus und die beseelsorgten Gläubigen, denen eine mündige Glaubensentscheidung nicht mehr ermöglicht und bald auch nicht mehr zugemutet wurde - geschichtlich am Ende ist.
In dieser Situation genügt es nicht mehr, von irgendwoher genügend Priester zu bekommen, um den „Betrieb“ aufrechtzuerhalten. Die Lösung liegt — das ist die Grundthese des Buches — darin, daß das allgemeine Priestertum der Gläubigen, das in der Massenkirche der Vergangenheit weitgehend in Vergessenheit geriet, wieder bewußt gemacht und gelebt wird. Auch das Wesen des Amtspriestertums kann im Blick auf das Neue Testament kaum darin bestehen, daß es alle Charismen in sich absorbiert, wodurch der Getaufte de facto entmündigt wurde, sondern daß es das Verbindungsglied zwischen Einzelgemeinde und Gesamtkirche darstellt.
Wurden vor zehn Jahren noch die Vertreter der „Gemeindetheologie“ sehr leicht als Außenseiter und Phantasten abgestempelt, so ist das „Prinzip Gemeinde“ heute in der Kirche weitgehend unbestritten. Ob man nun von der Befreiungstheologie kommt, wie Leonardo Boff, von der spekulativen Theologie, wie Karl Rahner, von der Exegese, wie die Brüder Lohfink, oder von der Pasto- raltheologie, wie Klostermann, Greinacher, Zulehner und viele andere. So ist dieses Buch eine Ermutigung zu neuen Wegen, ein starkes Zeichen der Hoffnung für die Kirche.
IHR ALLE SEID GESCHWISTER - Ge- meinde und Priester. Von Paul Weß. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 1983. 144 Seiten, kart., öS 150,50.
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