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Es wäre an der Zeit, einen Preis für die Person auszuloben, die ein angemessenes Wort für das Gesamtphänomen (erfindet, das wir als "soziale Medien" bezeichnen. Dass "sozial" maximal als ironisch aufgefasst werden kann, wissen alle, die sich mit den Kommentaren auseinandersetzen (müssen). Bei der Gelegenheit könnte man gleich noch nach einer treffenderen Bezeichnung für die oft sehr speziellen Wortmeldungen suchen, die mit dem seriösen Begriff "Kommentare" zu unangemessenen Ehren kommen. Das Phänomen widerspiegelt die großen Fragen unserer Gesellschaft.

Es tobt ein wütender Kampf um die Deutungshoheit über die Wirklichkeit, in der wir leben. Oder auch in der wir zu leben glauben. Denn Glauben, Wirklichkeit und Wahrheit machen jeden und jede Einzelne(n) als Menschen aus. Sie definieren unsere persönliche Realität. Die für einen gläubigen Christen eine völlig andere sein kann als für einen Muslim oder Juden. Unterschiedliche Wahrheiten haben nicht nur mit Religion zu tun. Der amerikanische Präsident lebt offenbar in seiner speziellen Wirklichkeit. Die sich dann in manchen Momenten sogar mit der eines nordkoreanischen Diktators als kompatibel erweist. Die Internetgemeinschaft schreit laut auf, spottet, lacht oder weint. Letztlich geht es darum, Recht zu behalten. Die eigene Wahrheit durchzusetzen. Der Soziologe Ulrich Beck meint, Frieden könne es erst geben, wenn die Menschen bereit seien, auf ihre Wahrheit zu verzichten. Weil es die eine Wahrheit nicht gibt, kann auch diese Theorie nicht als die einzig wahre gelten. Aber als Aufforderung zu mehr Empathie. Auch zum Nachdenken über den Witz vom Rabbi, der zwei Streithähnen zuhört. Anschließend gibt er dem einen, dann auch dem anderen recht. Sagt sein Hilfsrabbiner: "Aber du kannst doch nicht beiden recht geben." Darauf der Rabbi: "Du hast auch recht."

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