"Die Wörter haben Zugvogelherzen, wie die Obduktion ergibt", diese Zeile der Dichterin Pia Tafdrup, erzählt von so viel Schmerz in einer Zeit, die das pure Menschsein in ein Grundgefühl von Verdächtigungen gezogen hat. Jeder ist verdächtig: Du könntest mein Angreifer sein. Es schreibt sich glatter maskulin als gendergerecht. Und es passt gut zu Köln und allen Befürchtungen, ausgesprochen oder nicht, nur gefühlt - "Jetzt hört man überall", sagt Eugen Drewermann, "Gewalt sei nur mit Gewalt zu bekämpfen. So ist es unmöglich, aus der Blutmühle heraus zu kommen." Hat unser Handeln diesen Neigungswinkel, dann, fürchte ich, wäre am Ende die ganze große Fluchtbewegung eine einzige Fluchbewegung als einer Krankheit zum Tode.
In der "Gebetswoche für die Einheit der Christen" wird für eine "Kultur der Liebe" gebetet. Das ist für mich ein Anfang. Der einzig mögliche Anfang. Er ist alternativlos und verbindet jede Kirche und jedwede Religion mit der Erde und den Menschen, mit jeder Frau und jedem Mann. Wir brauchen eine Politik der Liebe. Das Wunder könnten wir in den Religionen vorüben. Viel mehr tun wir ja nicht in den Kirchen und Fakultäten als dies: Vorüben. Das tun wir am besten im Hören auf das unbekannte Du der Ferne, das wir noch nicht verstehen. Aber die Sehnsucht ist groß, verstanden zu werden.
Ich glaube, in jedem Menschen ist immer ein Dahinter, von dem ich nicht weiß, und auch nicht, wie groß die Trostlosigkeit und die Gnadenlosigkeit des Geburtsortes sein mag, den er oder sie sich nicht ausgesucht hat und schon gar nicht seine Heimsuchungen.
Mensch werden, indem ich auch diesem Schmerz Raum gebe auf verschiedene Weisen, an die Menschen glaube und ganz vertraue, dass sie mit uns leben und Heimat finden werden mit ihren "Vogelwörtern, ihren Liedern und heiseren Schreien".
Die Autorin ist Pfarrerin an der Lutherischen Stadtkirche in Wien
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