Die alljährliche Ausrufung der Weltgebetswoche für die Einheit der christlichen Kirchen macht mich immer auch ein wenig nervös (ich schrieb an dieser Stelle schon früher davon). Nicht dass ich nicht auch glauben würde, dass diese Einheit nur in der Kraft des Geistes Gottes erreichbar ist und sein wird. Man muss das immer klarstellen, andernfalls einem schnell unterstellt wird, man wolle diese Einheit ganz unspirituell "machen".
Eine Pointe der jüngeren Kirchengeschichte ist aber, dass selbst das Beten um die Einheit zunächst hinter verschlossenen Türen stattfinden hatte müssen - jedenfalls in meiner Kirche. Erst unlängst hat ein alter Priesterkollege von diesen ersten, geheimen Gebetsrunden mit jungen Menschen in Wien Anfang der sechziger Jahre erzählt. Selbst Kardinal König habe damals nur vertraulich informiert werden (und dabei sein grundsätzliches Einverständnis sehr verhalten signalisieren) können. Ein Beten um die Einheit der christlichen Kirchen muss also damals offiziell als unangebracht und mit dem Glauben nicht vereinbar betrachtet worden sein. Nur einige Jahre später allerdings brachte es das Anliegen dieses "vorauseilenden (Un-)Gehorsams" der Kirchenbasis auf dem II. Vaticanum zu höchsten Konzilsehren. Und die Kirchenleitung mahnt die Kirchenbasis seither zu diesem Gebet.
Die aber ist vielleicht schon wieder ein wenig "ungehorsam" und fragt, ob es nicht an der Zeit ist, zusammen mit dem Gebet auch beherztere Schritte zu tun als bisher. Bei allem Respekt für die unermüdliche Dialogarbeit vieler Engagierter. Und sollte der Auftrag Jesu selbst nicht als deutlich und unmissverständlich genug empfunden werden: auch der notwendige Dialog mit den anderen Religionen angesichts der großen Zeitfragen verlangt nach einem Zurückfinden zur Einheit - wenigstens als versöhnte Verschiedenheit.
Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.
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