Kirchen haben Hausaufgaben

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Unter den vielen Lehren, die dieser Tage aus den Erfahrungen des 11. September 2001 gezogen werden, gibt es auch einige für die Religionen. Die Beteuerung, dass doch alle Religionen im Kern friedfertig und gewaltlos sind und nur missbräuchlich zur Rechtfertigung von Gewalttaten verwendet werden, wird richtig sein. Sie ist aber hilflos, weil sie der Ambivalenz von Religion nicht gerecht wird. Unfruchtbar ist auch die grundsätzliche Verdächtigung aller monotheistischen Religionen, sie wären wegen des ihnen inhärenten Wahrheitsanspruches notwendig gewaltbereit. Nicht nur monotheistische Religionen haben ein Gewaltproblem.

Aber was kann weiterführen? Bleibt vor dieser Ambivalenz als letztes Wort nur die Alternative Jürgen Moltmanns: Religion ist Terror oder Glaube? Ich erinnere an Roger Williams, der 1636 von Massachusetts auszog, um in Rhode Island das erste Gemeinwesen zu gründen, in dem die religiöse Freiheit aller Individuen garantiert war. Nicht nur für Christinnen und Christen aller Art, sondern genau so "für Juden, Heiden und Türken". Aus dieser historischen Erinnerung und den heutigen Erfahrungen lassen sich meiner Meinung nach drei "Hausaufgaben" für Kirchen und Religionsgemeinschaften ableiten, die für das Zusammenleben notwendig sind:

* Zuerst müssen die Kirchen und Religionsgemeinschaften auch aus ihren tiefen Glaubensüberzeugungen heraus die individuelle Religionsfreiheit bejahen. Das schließt das Recht des Glaubenswechsels ein wie das Recht, nicht zu glauben.

* Aus individueller Religionsfreiheit folgt die Trennung von Kirche und Staat. Auch wenn der moderne Staat auf Voraussetzungen beruht, die er sich nicht selbst gegeben hat, ist ein grundsätzlich positives Verhältnis der Religionen zur Säkularität des modernen Verfassungsstaates zu entwickeln.

* Schließlich folgt daraus die Anerkennung der Menschenrechte, die in der Achtung der Rechte von Frauen auch in den Kirchen und Religionen selbst glaubwürdig sichtbar wird.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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