"Es gibt keine Einsparungen"

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Sind die Befürchtungen vieler NGOs grundlos? Der Sozialminister nennt erstmals Details seines neuen Budgets und versichert, dass auch bei den Ermessensausgaben nicht gespart wird.

* Das Gespräch führten R. Bogenberger und O. Tanzer

Rudolf Hundstorfer will nicht bei den Sozialausgaben sparen, dafür aber eine Aktientransaktionssteuer und eine neue Diskussion über die Erhöhung des Arbeitslosengeldes.

Die Furche: Geht es nach den jüngsten Diskussionen, kommen schwere Wochen auf Sie zu. Keine Valorisierung des Arbeitslosengeldes, noch immer keine Mindestsicherung, explodierende Kosten beim Pensionssystem und bei der Pflege. Und das alles vor dem Hintergrund von drohenden Einschnitten im Sozialbudget, besonders bei den Ermessensausgaben. Sie werden bald gefragt werden, wie Sie diesem Budget eigentlich zustimmen konnten.

Rudolf Hundstorfer: Das ist Unsinn.

Die Furche: Das ist, worüber sich derzeit so ziemlich alle Sozialorganisationen des Landes und die Opposition Sorgen machen.

Hundstorfer: Ich kann das alles nicht nachvollziehen.

Die Furche: Es wird also keine Einsparungen geben?

Hundstorfer: Ich habe kein gekürztes Budget.

Die Furche: Auch die 10 Prozent weniger an Ermessensausgaben, die im Finanzministerium kolportiert werden, stimmen so nicht?

Hundstorfer: Bei mir nicht.

Die Furche: Es muss sich demnach keiner fürchten, weniger Geld zu bekommen?

Hundstorfer: Dass sich vielleicht irgendwo jemand fürchtet, dass ich ihm gewisse Subventionen nicht erhöhe, kann schon sein. Möglich, dass wir da oder dort diverse Subventionen für Berichtserstellungen und Inserate kürzen - dafür wird es weniger geben. Aber es bleibt in den Kernfunktionen des Hauses, etwa was die Pensionen betrifft, gleich. Ich habe 80 Millionen mehr für den Arbeitsmarkt. Damit haben wir die Milliardengrenze überschritten, erstmals in diesem Haus. Das Sozialamt hat nicht weniger Geld. Das heißt: Was das Sozialamt fördert, wird es weiter fördern. Die Summe der Förderungen ist nicht weniger geworden. Das ist nicht das Thema. Es wird da oder dort aber restriktiver zugehen als in der Vergangenheit.

Die Furche: Es gibt aber auch Fehlentwicklungen bei den Ausgaben. Konkret wird etwa ein Projekt mit Langzeitarbeitslosen unterstützt, das nur Sinn macht, wenn es 12 Monate dauert. Und plötzlich ging man her und kürzt die Dauer auf sechs Monate. Gibt es niemanden, der darauf schaut?

Hundstorfer: Unter anderem tun Sie das ja und auch wir. Auch ich kann Ihnen ähnliche Beispiele nennen. Deshalb treffe ich mich alle 14 Tage mit dem AMS. Wir versuchen, punktgenauer zu werden.

Die Furche: Wie steht es mit der Pensionsanpassung? Das BZÖ fürchtet radikal sinkende Pensionsanpassungen bis 2013. 1,1 statt 3,1 Prozent.

Hundstorfer: Ich kann die Diskussion überhaupt nicht nachvollziehen. Im Budget vorgesehen ist das, was das Gesetz vorschreibt.

Die Furche: Dann bleibt es bei 3,1 Prozent?

Hundstorfer: Das wurde nie angekündigt. Es hat für das laufende Jahr eine Anpassung von 3,4 Prozent gegeben. Und für das Jahr 2010 gibt es eine Pensionistenpreisindex-Vorschau, die zwischen 1,8 und 1,9 Prozent liegt. Ich weiß wirklich nicht, warum das jetzt derart hochgespielt wird.

Die Furche: Wann kommt die Mindestsicherung?

Hundstorfer: Im Lauf des Jahres 2010.

Die Furche: 2009 war eigentlich projektiert.

Hundstorfer: 2009 gibt es nur sehr viele Menschen, die mit den Vorbereitungen zu tun haben. Ich brauche neun Landtagsbeschlüsse, neun Landesregierungsbeschlüsse, einen Nationalratsbeschluss, einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz. Dazu braucht es technische Absprachen zwischen den Ländern und den Länder-Arbeitsmarktservices. Das haben wir offen und ehrlich unterschätzt.

Die Furche: Streben Sie an, dass die Regelung rückwirkend in Kraft treten könnte?

Hundstorfer: Nein, das kommt schon rein verwaltungstechnisch nicht in Frage.

Die Furche: … oder aber Ihnen fehlt schlicht das Geld.

Hundstorfer: Nein, ich habe das Thema übernommen und musste erkennen, dass gewisse Dinge eben nicht stattgefunden haben, wie zum Beispiel die schwierigen Abstimmungen mit dem AMS.

Die Furche: Wie ist das mit der Arbeitslosenversicherung? Nicht zuletzt der ÖGB fordert eine Anhebung. Ist das auch angedacht?

Hundstorfer: Wir denken es an. Fakt ist aber, dass wir das nicht prioritär budgetiert haben.

Die Furche: Finanzminister Pröll hat bereits gesagt, es komme für ihn nicht in Frage.

Hundstorfer: Das ist richtig. Aber das ist alles mit Arbeitslosenzahlen des Vorjahres diskutiert worden. Jetzt haben wir eine ganz andere Entwicklung und demzufolge ist es zulässig, weiter darüber zu reden.

Die Furche: Im Zusammenhang mit der Pflegediskussion wird von WIFO, ÖGB, Caritas und vielen anderen eine Finanzierung über Vermögensbesteuerung und Börsenerträge gefordert. Wann soll man darüber verhandeln?

Hundstorfer: Eine Diskussion, wie die Sozialsysteme in Zukunft abzusichern sind, ist permanent zu führen. Mir geht es jetzt nicht um das Budget 2010 oder 2011, sondern um Folgendes: Wir als Gesellschaft zahlen sehr viel für die Bewältigung der Krise, wir werden das auch weiterhin tun müssen, aber es kommt der Tag danach, und für den Tag danach muss es eine Antwort geben. Sicher ist, dass die Arbeitnehmer nicht noch einen weiteren Preis zahlen dürfen, etwa bei ihrer Alterssicherung. Sicher ist auch, dass die Sozialbudgets der Zukunft nicht leisten können, was wir jetzt schon leisten.

Die Furche: Warum kommt die Diskussion über Aktienertragssteuer erst jetzt? Den Vorschlag gibt es doch schon seit Jahren.

Hundstorfer: Wir werden auch hier weiterkommen. Wenn die Börse von London seit 15 Jahren eine Transaktionssteuer aushält, wird das die Wiener Börse wohl auch aushalten.

Die Furche: Und wer geht jetzt in die Diskussion mit einem konkreten Vorschlag an die Öffentlichkeit?

Hundstorfer: Ich tue das jetzt. Ich sende meine Pfeile schon überallhin.

Die Furche: Wie lange könnte die Krise Ihrer Meinung nach noch dauern?

Hundstorfer: Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht hier, sondern würde das weltweit verkaufen können. Ich gehe davon aus, dass es 2009 nicht besser wird. Ich hoffe, dass es sich 2010 stabilisiert und dass es 2010/2011 wieder bergauf geht.

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