"Wir sind keine kalten Manager"

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Der künftige Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) über die Rückeroberung der Bastion Sozialressort für die Gewerkschaft und sein vorrangiges Thema der nächsten Zeit: Der Kampf um Arbeitsplätze.

Der designierte Sozialminister und scheidende ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer skizziert im FURCHE-Interview die Eckpfeiler seines ersten Arbeitsprogramms und fordert eine "irrsinnige Kraftanstrengung" für die neue rot-schwarze Regierung.

Die Furche: Herr Sozialminister …

Rudolf Hundstorfer: In spe …

Die Furche: Wie klingt das für Sie?

Hundstorfer: Es ist natürlich eine massive Veränderung. Diese Chance kriegt man nur einmal im Leben. Es ist verbunden mit Respekt und Demut, besonders jetzt, wo die Frage der Arbeitsplatzsicherheit und Jugendbeschäftigung einen so hohen Stellenwert einnimmt.

Die Furche: Ist es Ihr Traumberuf oder konnten Sie nicht Nein sagen?

Hundstorfer: Man kann immer Nein sagen. Der Reiz, diese Funktion zu übernehmen, hat schon überwogen.

Die Furche: War es für Sie Bedingung für die Annahme des Postens, dass die Arbeitsagenden wieder im Sozialministerium sind?

Hundstorfer: Es war für mich klar, dass Arbeit und Soziales wieder zusammenkommen sollen.

Die Furche: Die SPÖ-Tradition, dass ein Gewerkschafter Sozialminister wird - während der Kanzlerschaft von Alfred Gusenbauer unterbrochen - ist nun wiederbelebt worden. Wie begründen Sie diese Tradition?

Hundstorfer: Wir Gewerkschafter bringen eine soziale Grundkompetenz mit, um die Anliegen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten. Es gibt permanente Veränderungen in der Arbeitswelt, da ist es sehr wichtig, die Menschen mitzunehmen. Hier haben wir aufgrund unserer Sozialisation einen anderen Zugang. Wir sind sicher keine kalten Manager, wo nur Zahlen zählen, sondern es zählen die Menschen, immer wissend, dass wir uns in Veränderungsprozessen befinden, die mit viel Innovation zu meistern sind.

Die Furche: Innovation wird im Regierungsübereinkommen aber kläglich vermisst. Zeitungskommentatoren beklagen, dass mit Sozialpartnern im Regierungsteam keine mutigen Erneuerungen zu erwarten seien.

Hundstorfer: Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir Sozialpartner haben so viele Veränderungsprozesse mitgetragen und mitgestaltet. Soll denn der heutige Wohlstand etwas Schlechtes sein!?

Die Furche: Welche Veränderungsprozesse zum Beispiel?

Hundstorfer: Gerade in den letzten zwei Jahren haben wir Sozialpartner bewiesen, dass wir Veränderungen mitgestalten: Zum Beispiel bei der Arbeitszeit-Flexibilität, bei der sozialen Absicherung Atypisch-Beschäftigter oder bei der Verwirklichung des 1000 Euro Mindestlohns. Solche Kommentare berühren mich nicht. Was mich eher berührt, ist, dass einzelne politische Gegner krankhaft versuchen, den sozialen Frieden in diesem Land zu stören. Aber dass wir veränderungswillig sind, beweist die Geschichte, diese Bereitschaft wird es auch in Zukunft geben.

Die Furche: Welches Vorhaben werden Sie als Sozialminister zuerst angehen?

Hundstorfer: Angesichts des drohenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit will ich zuerst im Bereich Beschäftigung gegensteuern, so weit das vom Arbeitsmarktservice AMS aus möglich ist. Vor allem muss das Jugendbeschäftigungspaket rasch vollständig umgesetzt werden (es geht um eine verstärkte Förderung von Lehrlingen, in Kraft seit 1. Juli 2008, Anm.). Es ist eine der wichtigsten Aufgaben, allen jungen Menschen eine Ausbildung zukommen zu lassen. Weiters ist es wichtig, diverse Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten. Besonders jetzt in der Wirtschaftskrise hat das AMS viele Möglichkeiten anzusetzen, etwa durch Kurzarbeitsmodelle. Oder wenn die Produktion in einigen Bereichen nicht so gut geht, dass man diese Zeit für Bildungsprogramme in Betrieben nützt.

Die Furche: Aber neue Jobs kann das AMS nicht schaffen. Was raten Sie Betrieben, wie etwa der Telekom, wo das Festnetz wegbricht?

Hundstorfer: Es ist bei der Telekom genügend Kapital vorhanden, um das Festnetz auszubauen. Zudem sollte die Möglichkeit genützt werden, die Menschen umzuschulen, wenn es technologische Veränderungen gibt. Das, was bei Post und Telekom passiert, ist nicht nachvollziehbar. Die Firmen müssen auch ihre Hausaufgaben machen und nicht von Haus aus sagen, wir haben zu viele Mitarbeiter. Bei der Telekom kommt hinzu, dass hier von der Führung gesagt wird: Wir bauen Beamte ab und stellen Leiharbeiter ein.

Die Furche: Die billiger kommen. Was wollen Sie gegen prekäre Arbeitsverhältnisse tun?

Hundstorfer: Die soziale Absicherung muss weiterentwickelt werden. Ein wichtiger Schritt ist die Mindestsicherung, die noch umgesetzt werden muss. Wir haben auch schon einiges erreicht: die soziale Absicherung Atypisch-Beschäftigter oder den Mehrarbeitszuschlag um 25 Prozent bei Überstunden von Teilzeitbeschäftigten. Das sind Schritte in die richtige Richtung.

Die Furche: Wie wollen Sie die arbeitsrechtliche Situation Atypisch-Beschäftigter weiterentwickeln?

Hundstorfer: In der klassischen Teilzeitarbeit gibt es eigentlich keine Schwachstellen mehr. Die Frage, die sich stellt, und das ist der Punkt: Kann jemand von einem Teilzeitjob auch leben? Es ist die Entscheidung jedes Einzelnen. Aber es gibt Regionen, wo Menschen nichts anderes finden. Es gibt auch Handelsfirmen, die von Haus aus sagen, wir nehmen nur Teilzeit-Beschäftigte.

Die Furche: Wollen Sie das Mindestsicherungs-Modell, von Ihrem Vorgänger Erwin Buchinger entwickelt, in dieser Form übernehmen?

Hundstorfer: Das Modell wurde bereits von acht Bundesländern unterschrieben, mit Ausnahme Kärntens.

Die Furche: Wann könnte es umgesetzt werden?

Hundstorfer: Mitte Juli 2009 ist realistisch. Ich hatte aber noch keine Gelegenheit, mit Kärnten zu verhandeln.

Die Furche: Zum zentralen Thema Arbeitslosigkeit: Was ist hier ein realistisches Szenario? Zuletzt skizzierte das WIFO, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten drei Jahren auf über 300.000 steigen könnte, zurzeit liegt sie bei circa 200.000 Menschen.

Hundstorfer: Wenn ich das wüsste, dann hätte ich schon ein Patentrezept. Ich hoffe, dass die Sommerprognose des AMS nicht überschritten wird: jeweils 20.000 Arbeitslose mehr in den nächsten Jahren. Die Hoffnung gründet auf den zwei Konjunkturpaketen. Wir müssen eine irrsinnig schwierige Kraftanstrengung aufbringen, um hier gegenzusteuern.

Die Furche: Sie haben sich in den letzten Monaten für ein höheres Steuervolumen als das jetzt vereinbarte (2,2 Mrd. Euro) ausgesprochen, zudem für eine Negativsteuer und eine stärkere Besteuerung von Vermögen. Nichts davon kommt - sind Sie unzufrieden?

Hundstorfer: Punkt eins: Im Steuersystem wurde bisher nichts verändert, es gibt nur eine Tarifsenkung. Aber: Wir haben im Segment der Kleinsteinkommen die Arbeitslosenversicherungsbeiträge gestrichen. Wir haben ein Familienpaket geschnürt. Insgesamt ein ansehnliches Volumen. Es ist uns geglückt, die Tarifsenkung vorzuziehen. Jetzt haben wir diese Maßnahmen 2009, und dann wird es weitergehen. Wir werden schauen, ob diese Maßnahmen reichen. Aber sie sind ein guter Anfang.

Die Furche: Sie können also weitere steuerliche Maßnahmen in dieser Legislaturperiode nicht ausschließen?

Hundstorfer: Im Koalitionsabkommen sind keine neuen Steuern vorgesehen.

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