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Nicht nur die Regierungen, sondern die betroffenen Menschen reden mit

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Die Betroffenen lassen sich nicht den Mund verbieten: das zeigte die Kairoer Weltbevölkerungskonferenz ganz deutlich.

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Die Betroffenen lassen sich nicht den Mund verbieten: das zeigte die Kairoer Weltbevölkerungskonferenz ganz deutlich.

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Die Abtreibungsdebatte hat der UNO-Konfe- renz Weltöffentlichkeit verschafft. Die Veranstalter waren nicht unglücklich über das unverhoffte Interesse an diesem Thema. Die Bevölkerungsproblematik läßt sich nicht rein demographisch abhandeln, sondern die Materie rüttelt an den Grundfesten jeder Gesellschaft. Jeder Eingriff in Form von Familienplanung hat eine moralische, ethische Komponente. Niemand formulierte es so direkt wie Norwegens Regierungschefin Gro Harlem Brundt- land, die bezüglich illegaler Abtreibungen meinte: „Moral kann zur Scheinheiligkeit verkommen.“

Die vielbeschworene Fundamentalisten -Al - lianz zwischen Heiligem Stuhl und strenggläubigen islamischen Staaten kam nicht zustande. Vielmehr kam es zu einer Polarisierung innerhalb des katholischen Lagers selbst, während die moslemische Staatengruppe, Sunniten wie Schiiten, sehr bemüht war, ein Bild der Eintracht zu vermitteln. Eines soll hier festgehalten werden: Die West-Medien konzentrierten sich viel zu sehr auf die vom Vatikan ver ursachte mehrtägige Konferenz-Blockade, um der Tatsache gewahr zu werden, daß die islamische Welt die religiöse Karte ausspielte.

Dem Vatikan versagten die meisten der katholischen Entwicklungsländer die Gefolgschaft. NGO-Vertreterin- nen aus Lateinamerika beschuldigten die Kirchenführung, die Gesundheitsprobleme der Frau im Kontext der Mutterschaft zu negieren. Etliche Vertreter von Nicht-Regierungs-Organisationen forderten wutentbrannt, dem Heiligen Stuhl den Status eines Ständigen Beobachters bei der UNO zu entziehen. Auch dem „Obermacher“ in Kairo, Ägyptens Familienplanungsminister Maher Mahran, riß einmal der Geduldsfaden, als er vor der Presse ausrief: „Regiert denn der Vatikan die Welt?“ und anfügte: „Er hat die niedrigste Geburtenrate der Welt.“ Andere NGO-Ver- treter führten ins Treffen, daß die Mehrzahl der 900 Millionen Katholiken in Sachen Abtreibung und Verhütung der Vatikan-Doktrin längst nicht mehr folge. Frances Kissling, Wortführerin kritischer US- Katholiken, kritisierte einen „religiösen Imperialismus“.

Nach der mühsamen Erzielung einer Kompromißformel bei sogenannter „unsicherer Abtreibung“ war allerdings die Konsensfmdung für den Aktionsplan noch nicht ausgestanden, für die sich die USA ins Zeug geworfen hatten. Bis zuletzt blieb offen, ob sich der Vatikan (wie vor zehn Jahren in Mexiko) letztlich in einer Erklärung vom UNO-Schluß- dokument distanzieren werde.

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