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Es gibt Augenblicke, da sehe ich nur schöne Dinge, das Gute am Menschen, auch an mir selber. Da weiß ich, dass es nichts mehr zu wissen oder mehr zu haben gibt. Da glaube ich, dass Gottes Heilsplan vollendet und die Welt tatsächlich erlöst sei von aller Unvollkommenheit und Sünde. Da sehe ich Gautama Buddha vor mir, wie er sich vollständig in die Leere versenkt hat unter seinem Lotosbaum, oder die Ankunft des islamischen Märtyrers im siebenten Himmel, oder ich spüre den Moment, in dem Augustins letztes Kapitel der "Civitas Dei" Wirklichkeit geworden ist.

Da glaub' ich, dass alles recht sei, so, wie es ist, und dass man die Zeit anhalten sollte, weil es nicht mehr besser, ruhiger, freier sein könne. Da ruft es in mir mit Goethes Faust: O Augenblick, "verweile doch, du bist so schön".

Es kann jeder beliebige Augenblick sein: mitten im ärgsten Schmerz, wenn meine Frau lächelt, während ich das Risi e Bisi rühre, natürlich vor einem Sonnenuntergang am Meer, aber dort nicht eher als im Flugzeug auf einer Reise oder in einer Sitzung oder beim Schreiben - da platzt in mich eine so starke Helligkeit hinein, die alle Bilder, alle Gedanken unmittelbar und klar macht, dass alles in sich zurückkehrt.

Doch dann fällt mir ein, dass dieser Zustand ja ein Zitat ist, ein Zitat aus dem Vertrag, den Faust mit dem Teufel geschlossen hat: Sobald er diesen Wunsch habe, dass sich alle Zeit im Augenblick wegen dessen Vollkommenheit verfangen solle, könne ihn der Teufel holen. Und deshalb bin ich froh, dass der Augenblick auch schon wieder vorbei ist und ich mich, ärgerlich über die Verzögerung durch diesen Augenblick, wieder an die Arbeit machen kann, zum eigenen Vorteil und für eine bessere Welt.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Direktor der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz.

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