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Der Maler der Wiener Madonnen

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Kein Thema hat die künstlerischen Kräfte aller Zeiten und Völker eindringlicher und nachhaltiger beschäftigt als das der Mutterliebe, dessen edelste und reinste Gestaltung in der Darstellung der Mutter des Heilands gipfelt. Auch der gröbste Materialist kann sich der tiefen Wirkung nicht entziehen, die aus den „Madonnen“ der größten Meister auf den Betrachter ausstrahlt. Allerdings setzt die Darstellung der Mutter des Welterlösers bei dem gestaltenden Künstler echte religiöse Gesinnung und ein tiefes Einfühlen in diese wahrhaft göttliche Liebe voraus, wenn sein Werk nicht in bloßer technischer Vollendung stecken bleiben soll. Wenn aber ein Künstler in unserer entgotteten Zeit immer und immer wieder mit heiligem Eifer an dieses Problem herantritt und versucht, mit jedem neuen Madonnenbildnis dem Urbilde mütterlicher Liebe und mütterlichen Leidens näherzukommen, trotz des Bewußtseins, niemals dieses Problem restlos lösen zu können, dann verdient er, daß man seiner nicht vergißt und sich mit seiner Kunst auseinandersetzt.

Carl Maria H a u s e r, im Wiener Kunstleben vor 1938 als „Carry Hauser“ in führender Stellung tätig, hat seine Liebe zu Österreich mit bitteren Jahren freiwilliger Emigration bezahlen müssen, bis ihm die Befreiung seiner Heimat die Möglichkeit der Wiederkehr gab. Nun haust er seit Frühjahrsbeginn in seinem Künstlertusculum, nahe dem Schönbrunner Schloß, in ungebrochener Schaffenskraft, die in der Schweiz so mandien neuen Impuls empfangen hat, beglückt durch das Gefühl des Wiederdaheimseins und das Bewußtsein, am künstlerischen Wiederaufbau Österreichs als einer der Berufenen mitarbeiten zu können. Die letzten Monate beschäftigten ihn mit der Vorbereitung einer repräsentativen Ausstellung seiner graphischen Arbeiten in New York, die zweifellos der diristlidien Kunst

Österreichs jenseits des Ozeans Anerkennung versdiaffen wird.

Überaus groß ist die Zahl der „Madonnen“, die Hauser bisher gemalt hat und die durch ihre echt wienerische Grazie und Weichheit, durch die Klarheit und den feinen Rhvthmus ihrer Linien und ihrer farbigen Noblesse gekennzeichnet sind. Seine Madonnen sind durchaus unsinnlich, von fast ätherischer Schwerelosigkeit, sie scheinen tatsächlich des göttlichen Geheimnisses teilhaftig zu sein, wie sich einmal H. F. Schell in einem schönen Essay treffend ausgedrückt hat. Nicht immer glückt Hauser restlos die Gestaltung des Themas, aber immer gibt es doch zumindest eine Einzelheit, irgendeine Bewegung, eine Blüte, einen Vogel, die uns in ihren Bann zieht. Seine besten Werke sind aber zweifellos die „Wiener Madonna“ mit Stephansdom und Donaustrom im verdämmernden Hintergrund, und die „Tessiner Madonna“, die das Künstlerheim seiner Schweizer Freunde schmückt.

In der Schweiz hat sich Hauser auch mit Freskobildern befaßt, die sich zu monumentaler Gestaltung erheben und so den Beweis liefern, daß der Künstler nicht nur im kleineren Format, das er allerdings bevorzugt, Besonderes und Bedeutendes zu leisten vermag.

Als Bühnenbildner hat Hauser schon vor 1938 Proben seines gestaltenden Könnens gegeben, als Schriftsteller hat er sich in den letzten Jahren wiederholt hervorgetan, namentlich in seinen prächtigen Adventspielen, die in der Schweiz ein sehr verständnisvolles, beifallsfreudiges Publikum fanden. Nunmehr ist Hauser wieder mitten unter uns, unter den vielen, die er durch seine Kunst erfreut bat. Möge sein Schaffen in der Heimat ähnliche Erfolge zeitigen, wie sie seine Tätigkeit im Ausland errungen hat!

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