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Angst vor der perfekten „Kunstmaschine"

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Wien braucht Attraktionen, Salzburg braucht Attraktionen, Österreich braucht Attraktionen. Wir brauchen neue Formen der Präsentation von Kultur und dafür die geeigneten Räume: So etwa umriß Wiens Bürgermeister Helmut Zilk, also einer, der es wissen muß und umso schmerzlicher empfindet, daß er mit seinem EXPO-Wien-Projekt baden gegangen ist, die Situation.

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Wien braucht Attraktionen, Salzburg braucht Attraktionen, Österreich braucht Attraktionen. Wir brauchen neue Formen der Präsentation von Kultur und dafür die geeigneten Räume: So etwa umriß Wiens Bürgermeister Helmut Zilk, also einer, der es wissen muß und umso schmerzlicher empfindet, daß er mit seinem EXPO-Wien-Projekt baden gegangen ist, die Situation.

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In Metropolen wie Paris, London, Tokio und sogar Hongkong weiß man längst, wie wichtig kulturelle Zentren für die schnell wachsenden Städte sind. Gigantische Kulturpaläste werden errichtet. Ja selbst deutsche Mittelstädte greifen nach den Sternen: Schlagartig verändert sich Deutschlands Museumslandschaft zwischen München und Hamburg und Berlin ,und dem Rheinland: Wobei für das Museumszentrum Berlin noch gar keine endgültigen Entscheidungen vorliegen. Daß sie keinesfalls kleinlich und kleinhäuslerisch ausfallen werden, kann man gewiß sein. Aber es mutet wie Ironie an, daß an der Gestaltung vieler dieser neuen Kulturszenarios gerade die prominentesten österreichischen Architekten wesentlich beteiligt sind.

Anders in Österreich. Da gibt es zwar auch kühne Projekte, die sich international sehen lassen können.

Aber bei der Realisierung tun sich vor allem die Gegner jeder Veränderung hervor. Salzburg ist da mit seinem „Guggenheim"-Projekt ein Paradefall: Ganz abgesehen von Budgetüberlegungen, die etwa Bundeskanzler Franz Vranitzky oder Wissenschaftsminister Erhard Busek dazu anstellen, findet nämlich Landeshauptmann Katsch-thaler ein besseres Heimatmuseum weit wichtiger als Hans Holleins spektakuläres, international vielgelobtes „Guggenheim Museum im Mönchsberg". Oder in Wien: Da laufen in aller Stille Arbeiten am beispielhaft konzipierten Museumszentrum in den Hofstallungen Fischer von Erlachs. Aber wie vorher bei der EXPO tun sich vor allem Bürgerinitiativen gegen eine weltstädtische Erschließung des Gebäudes durch Architekt Lau-rids Ortner hervor. Man träumt von einem Pferdemuseum. Biedermeier!

Gerade im Fall des Salzburger Guggenheim-Museums moderner Kunst wirft sich Thomas Krens, Direktor der New Yorker Guggenheim-Zentrale, immer wieder in die Schlacht. So erst vor kurzem bei einer Präsentation des Erweiterungsbaus, mit dem Frank Lloyd Wrights weltberühmter Spiralenbau in New Yorks Fifth Avenue - immerhin auch erst nach siebzehnj ährigem Tauziehen und Kleinkrieg gegen Initiativen aller Art - nach den Vorstellungen des Architekten vollendet wurde: Hinter der Spirale entstand nach Wrights Originalplänen eine „Steilwand", ein Bau, der alle Platzprobleme löst.

Rund 700 Millionen Schilling kostete diese Erweiterung. Und bei einer Begehung des Wright-Baus, an der auch Wiens Stararchitekt Hans Hollein teilnahm, zeigte Krens, wie dieses architektonische Meisterwerk New Yorks mit allen Anforderungen an ein Museum von heute in Einklang gebracht wurde. Ab kommendem Juni wird sich New Yorks Guggenheim-Museum als Paradeinstitut präsentieren: Mit großzügigen, technisch hervorragend ausgerüsteten Galerien für Gemälde, Skulpturen, Design, mit Film- und Theatersaal, Bibliothek,

Kommunikationszentrum; aber auch mit vorbildlichen „Speicher"-Gebäu-den und Restaurierwerkstätten für moderne Kunst in alten Warehouses sowie mit einer Museumsdependan-ce für neue, experimentelle Kunst am Broadway im Stadtviertel Soho, die nach Entwürfen des Japaners Isozaki gebaut wird. Ein Museum wird zur perfekten „Kunstmaschine".

Thomas Krens zeigte aber auch, daß New Yorks Guggenheim-Museum und seine Depots dank zahlloser Stiftungen und Widmungen längst aus allen Nähten platzen. Umso überzeugender ist sein Konzept, nicht auf den Schätzen zu „sitzen", sondern Hauptwerke oder ganze Abteilungen der Sammlungen an „Außenstellen" weiterzureichen, die von den verschiedenen Ländern errichtet werden. Auch da funktioniert die moderne „Museumsmaschine": Nach einem speziellen Rotationsverfahren könnten so langfristig die Guggenheim-Schätze an mehreren Brennpunkten Europas gezeigt werden. Müßig hinzuzufügen, daß solche Ausstellungen spektakuläre Ereignisse sind, die die Besucher nicht nur in New York zu Zehntausenden anlocken und auch entsprechende Eintrittsgelder einspielen. Im spanischen Bilbao etwa arbeitet man bereits an der neuen Guggenheim-Außenstelle. Bei Salzburg bleibt man in Wartestellung - auch wenn Salzburg allzu „österreichisch" reagiert: Es gibt keine offiziellen Absagen, aber auch niemanden, der offiziell das Projekt startet. Dennoch betont Minister Erhard Busek immer wieder Bedeutung und Wichtigkeit solcher Projekte im allgemeinen und dieses Projekts im besonderen. Aber gerade in einer Zeit, in der alle nur noch dem Grundsatz „small is beautiful" vertrauen, scheint die Angst vor der „Kunstmaschine" zu siegen. Salzburg und Österreich verschenken eine der größten Chancen.

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