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Der große Hasser Krleža

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Mit der Erstaufführung von „Die Glembays” hat das Volkstheater die verdienstvolle Aufgabe übernommen, ein Werk des bedeutenden kroatischen Dichters Miroslav Krleža endlich auch in Wien vorzustellen. Dies ist bisher in Österreich nur in Graz geschehen („Galizien”, 1971). Dazu mag beigetragen haben, daß sich in vielen Werken Krležas ein schwer zu interpretierender Österreich-Haß manifestiert, ein Haß, der sich nicht nur auf die Donaumonarchie (die „katholische Satrapie”) beschränkt.

Miroslav Krleža wurde 1893 in Agram geboren, besuchte das humanistische Gymnasium, die Kadettenschule in Pėcs und die Militärakademie in Budapest. Bei Ausbruch des Balkankrieges, 1912, floh er nach Belgrad, um sich der serbischen Armee im Kampf gegen die Türken anzuschließen. Man glaubte ihm aber nicht, hielt ihn für einen Spion und schob ihn wieder nach Ungarn ab. Dort erreichte ihn 1914 die Einberufung, und er machte den Krieg in den Reihen der k. u. k. Armee an der russischen Front mit. Das Kriegserlebnis beeinflußte Krležas weitere geistige Entwicklung entscheidend. 1917 bis 1923 publizierte er unter dem Titel „Tausendundein Tod” und „Der kroatische Gott Mars” von Kriegshaß diktierte Novellen, die scharfe, zuweilen ins Groteske übergehende Satiren auf die militärisch- feudale kroatische Oberklasse darstellen und zu den eindrucksvollsten literarischen Zeugnissen über den Ersten Weltkrieg gehören. Nach dem Krieg war Krleža Mitherausgeber der Sozialrevolutionären Zeitschrift „Plamen” und anderer marxistisch ausgerichteter Blätter im nunmehrigen Zagreb (nach 1945 von „Republika”), durch die er großen Einfluß auf die Jugend gewann.

Von Jugend auf war Krleža ein erbitterter Gegner des ungarischen Feudalismus und der Donaumonarchie, deren Zusammenbruch für ihn zum Modellfall des 20. Jahrhunderts wird, von dem aus er Europa sieht und erfährt. — Auch die sozialpsychologische

Dramentrilogie „In Agonie”, „Die Glembays” und „Leda”, deren einzelne Teile völlig abgeschlossen sind und für sich stehen können, spielt vor dem Hintergrund der sich bereits auflösenden Vielvölkermonarchie und zeigt an Einzelschicksalen den sozialen und geistigen Verfall der Grande Bourgeoisie Kroatiens. Der Fall der Glembays, deren Aufstieg in der „Gründerzeit” vor sich gegangen war, deren technische und kommerzielle Möglichkeiten sie wie viele andere auch zugleich genial und verbrecherisch genützt hatten, wird für Krleža zum Modell einer zeitgeschichtlichen Wende. Zum Themenkreis der Glembays gehören auch eine Reihe von Prosastücken, die Krleža 1932 mit den Dramen in dem Band „Glembajevi” zusammengefaßt hat. — Scharfe psychologische Analyse der Gestalten und die Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Gesellschaft kennzeichnet auch die Romane „Die Rückkehr des Filip Latino- vicz” und „Ohne mich”.

Krleža ist auch als Lyriker (frühe Dichtungen „Pan” und „Tri simfonije”, soziale Bauernballaden im kajkavischen Dialekt („Balade Petrice Kerempuha”) und Essayist hervorgetreten, bekleidet seit 1945 die Stellung des Vizepräsidenten der kroatischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Zagreb und gibt als Direktor des Lexikographi- schen Instituts eine Reihe bedeutender Enzyklopädien heraus. Sein umfangreiches Gesamtwerk erscheint zur Zeit im Verlagshaus „Zora” in Zagreb in 50 Bänden.

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