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Doch noch unter einen Hut gebracht

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Mit Krach hatte die Planung für die Beteiligung Österreichs an der diesjährigen Biennale in Venedig (ab 6. Juni) begonnen: Walter Pichler, gemeinsam mit Architekt Hans Hollein Österreichs Vertreter in Venedig, trat demonstrativ zurück. In einem Kommunique attackierten er und die zu einer Geschäftsgruppe zusammengeschlossenen Exponenten der „Galerie Grünangergasse 12” (Attersee, Gironcoli, Rainer und Brus) Österreichs Biennale-Kommissär Dr. Wilfried Skreiner: Er wäre „unqualifiziert, mit Kunst umzugehen”, beschimpften sie ihn damals in einer Briefaktion; er gehöre „zu jenen Opportunisten, die das Kunstleben in Österreich unerträglich machen”. Der Anlaß dazu: Skreiner hatte sich nach einem „Ersatz” für den abgesprungenen Walter Pichler umgesehen und hatte den Tiroler Oswald Oberhuber, Wotruba-Assisten-ten und Berater der Avantgardegalerie „nächst Sankt Stephan”, für Venedig erwählt. Doch darauf reagierte wieder Hollein mit Zurückhaltung: „Mein Konzept für Venedig ist ganz auf Pichler abgestimmt, ich habe zur Vorsicht gegen Oberhubers Arbeiten im Pavillon eine Trennwand eingeplant!” kündigte er an.

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Mit Krach hatte die Planung für die Beteiligung Österreichs an der diesjährigen Biennale in Venedig (ab 6. Juni) begonnen: Walter Pichler, gemeinsam mit Architekt Hans Hollein Österreichs Vertreter in Venedig, trat demonstrativ zurück. In einem Kommunique attackierten er und die zu einer Geschäftsgruppe zusammengeschlossenen Exponenten der „Galerie Grünangergasse 12” (Attersee, Gironcoli, Rainer und Brus) Österreichs Biennale-Kommissär Dr. Wilfried Skreiner: Er wäre „unqualifiziert, mit Kunst umzugehen”, beschimpften sie ihn damals in einer Briefaktion; er gehöre „zu jenen Opportunisten, die das Kunstleben in Österreich unerträglich machen”. Der Anlaß dazu: Skreiner hatte sich nach einem „Ersatz” für den abgesprungenen Walter Pichler umgesehen und hatte den Tiroler Oswald Oberhuber, Wotruba-Assisten-ten und Berater der Avantgardegalerie „nächst Sankt Stephan”, für Venedig erwählt. Doch darauf reagierte wieder Hollein mit Zurückhaltung: „Mein Konzept für Venedig ist ganz auf Pichler abgestimmt, ich habe zur Vorsicht gegen Oberhubers Arbeiten im Pavillon eine Trennwand eingeplant!” kündigte er an.

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Jetzt endlich, zwei Wochen vor Eröffnung der 36. Kunstbiennale in den Giardini, hat Dr. Skreiner beide doch noch unter einen Hut gebracht. Hollein verzichtet aus finanziellen Gründen auf die eingebaute Trennwand. Battistverspannungen genügen ihm. Oberhuber hat inzwischen bekanntgegeben, was er sich so für Venedig erdacht hat: „Ich bringe ganz realistische Dinge, damit Österreich auch einen Realisten hat. Der Realismus ist heuer stark im Kommen ...”

Dazu hat er großzügige Raumlösungen geplant; statt hängender Bilder ganze Bilderräume: „Ich bin natürlich von der Malerei ausgegangen — ich kann nicht sagen, ob das heute noch ein Rückgriff oder schon wieder ein Vorgriff ist. Aber ich verzichte auf jede Künstlichkeit. Die Wand soll von Bildern förmlich durchbrochen werden, illusionistisch aufgelöst wirken. Ich kann nur leider dazu gar nicht genug chaotisch denken.”

Der Oberhuber zugedachte rechte Pavillontrakt wird jedenfalls innen mit bemalten Leinwänden ausgespannt: „Riesige grau-beige Tücher an der Wand... eine sehr stille Malerei... !Eine Raumwand wird übrigens mit flott hingepinselten Kindern vollgepfercht sein. Eine naive Welt... Mit aufgemalten Fensterrahmen ... Das ist ein Überbleibsel aus meiner Malervergangenheit!”

Im Hof des österreichischen Pavillons stellt Oberhuber eine begehbare Riesenplastik aus Holz aus, ein „Haus im Haus, ohne Dach ... wie ein riesiges Kinderspielzeug. Ich habe versucht, meine Arbeiten mit Holleins Konzept auf einen Nenner zu bringen: Er geht dabei vom Raum aus, ich von der Fläche ... Aber bei mir weiß man ja nie! Bis zuletzt nicht!” meint Oberhuber verschmitzt: „Vielleicht muß ich in Venedig wieder alles ganz anders machen, als ich es mir jetzt vorstelle!”

Genau das ist es, was Hans Hollein so ärgert: „Ich habe nichts gegen Oberhuber, ich habe seine Nominierung sogar unterstützt... Aber er hüllt sich in Schweigen. Diese Geheimniskrämerei! Da war so vieles unklar!” Ganz genau festgelegt ist hingegen Holleins Konzept. Bereits am 1. Juni will er, dem man seit dem Ausscheiden Architekt Kitts auch alle technischen Probleme aufgehalst hat, mit seinen Bauarbeiten in Venedig fertig sein. „Das einzige, was noch immer ungeklärt bleibt, ist die Finanzsituation. Mich persönlich kosten die Arbeiten an die 150.000 S, für das ganze Unternehmen benötigen wir etwa eine halbe Million.”

Allerdings hat Hollein eine fast vollständige Umgestaltung seines linken Pavillontrakts und des ganzen österreichischen Ausstellungsgeländes vor. So wird vor dem Pavillon ein Sandhügel aufgeschüttet, dessen Unterbau bereits begonnen wurde, die Fassade wird teilweise zugehängt. Innen werden die Räume ebenfalls verhängt: „Tucharchitekturen” nennt Hollein sie, die mit einer Wand aus hängenden Ketten kontrastieren sollen: „Fixierte Räume, durch die man hindurchschreiten kann”, schwebten ihm als Modell vor. „Außerdem wird ein Steg zum Kanal gebaut, auf dem ein Gestell schwimmt, ein Kubus von etwa dreimal drei Metern mit Tüchern und Zweigen.” Ferner errichtet er einen Zeltraum mit einem Bett und einer eingewickelten Gestalt, in einem kleinen Seitenraum wird eine Wand mit geknittertem Papier bespannt sein...

„Es kommt mir sehr darauf an, auf diese Weise ganz spezifische Umweltsituationen zu erzeugen”, erklärte Hollein sein im ersten Moment verwirrendes Projekt. „All diese Objekte und Räume sollen gar nicht als Symbole verstanden werden, sondern ich will eine künstliche Welt erzeugen, eine Welt mit Übergängen in Wäldchen, Kanälen, zu Naturheiligtümern, einem schwimmenden Floß ... Und dann findet man überall alltägliche Objekte, die aber doch nicht alltäglich sind: einen Stuhl und einen Tisch, die ganz mit Fliesen belegt sind, alltägliche und doch fremde Gegenstände ... Aber gerade solche Räume sind in diesem Schlauchpavillon schwer einzurichten. Pichler hätte ursprünglich die Längsachse des Pavillons gestaltet, ich die andere. Durch die Abtrennung für Oberhuber ist die Raumsituation und die Ausgestaltung für mich besonders kompliziert geworden. Ich muß aber einen ganz bestimmten Stimmungsgehalt kreieren. Vielleicht versteht man so besser, warum ich eine Trennwand wollte ... Nämlich weil ich es nicht mag, wenn ständig die Zähne fletschende Kinder nach mir schielen!”

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