Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Eher fleißig als ehrlich
Österreichs Frauen denken vom Fleiß der Gastarbeiter besser, als Österreichs Männer. Übereinstimmend halten die Österreicher ihre Gastarbeiter für sehr fleißig — unabhängig davon, ob sie privaten Kontakt mit Gastarbeitern hatten oder nicht. Stark hingegen klaffen die Meinungen dort auseinander, wo es um die Ehrlichkeit der Gastarbeiter geht. Wer privaten Kontakt mit Gastarbeitern hatte, denkt über sie in punkto Ehrlichkeit nahezu genauso positiv wie in punkto Fleiß. Wer hingegen keinen von ihnen näher kennt, hält sie meistens für viel weniger ehrlich als fleißig, wenn er auch meistens nicht gerade erklärt (oder zugibt), sie für unehrlich zu halten.
Die Zahl der Österreicher, die Gastarbeiter für unbedingt notwendig für Österreichs Wirtschaft halten, ist mit 24 Prozent nur wenig höher als die Zahl jener, die Gastarbeiter für überhaupt überflüssig halten (20 Prozent). Auch von jenen, die persönlichen Kontakt mit Gastarbeitern haben, meinen nur 35 Prozent, daß es ohne die Gastarbeiter nicht ginge. 33 Prozent aller halten sie für nützliche Arbeitskräfte, auf die man aber gegebenenfalls auch verzichten könnte.
Diese Zahlen sind das Ergebnis einer Meinungsforschung, die das österreichische Gallup-Institut fast völlig kostenlos durchführte — es handelt sich um eine kostspielige Repräsentativerhebung, bei der 2000 Österreicher, Männer und Frauen über 16 Jahren, befragt wurden. Ihr erschütterndstes Ergebnis: Fast alle Österreicher wissen, daß die Gastarbeiter in unserem Land die unangenehmsten Arbeiten machen. Fast alle Österreicher sind auch der Meinung, daß die Wohnverhältnisse der Gastarbeiter weit unter dem österreichischen Standard bleiben. Trotzdem sind die Österreicher ebenso einhellig der Meinung, Gastarbeiter seien nicht zu bemitleiden.
Aber die erwähnte Umfrage wurde nicht veranstaltet, um zu erfahren, wie die Österreicher über die Gastarbeiter denken, sondern als erster Schritt einer Aktion, die das Ansehen der Gastarbeiter In Österreich heben soll. Kein Ministerium, keine Gewerkschaft, keine Stadt Wien, keine Kammer zahlt einen einzigen Schilling Beitrag zu dieser Aktion, die das „alleinige Baby“ der österreichischen Werbewirtschaft ist. Die Idee dazu wurde im Schoß des österreichischen Chapter der IAA (The International Advertising Association) geboren und von fünf Werbeagenturen durchgeführt: Lin-tas, McCann Erickson, Parkring-Werbung (Haas), J. Walter Thompson, Werbe Wien. Aber die Idee hätte ohne die Mitarbeit der Werbemedien nicht realisiert werden können. Gallup erhob gratis die Meinung der Österreicher, die Agenturen konzipierten und entwickelten kostenlos eine Werbekampagne, die Druckerei Adametz führte kostenlos den Plakatdruck durch, die Plakatanschlagfirmen kleben die Plakate kostenlos auf ihre Plakatwände und Österreichs Zeitungen (und voraussichtlich auch der ORF) bringen gebührenfrei Anzeigen und Werbu-einschaltungen, die Herrn und Frau Österreicher zu Besinnung bringen sollen.
Die Argumente der Kampagne setzen genau dort an, wo es das Umfrageergebnis vorzeichnete: Bei der allen soziodemographischen Gruppen gemeinsamen Tendenz, sich so wenig wie möglich zu engagieren, die Gründe für das Vorhandensein der Fremdarbeiter nicht zur Kenntnis zu nehmen und über deren persönliche Situation nicht nachzudenken.
Die Kampagne arbeitet mit bewährten Elementen der modernen Werbung: Mit Headlines, die Aufmerksamkeit wecken, und Texten, die eigentlich nichts anderes sind als knapp formulierte, an der Realität orientierte, beinharte Information. Zwei der fünf Anzeigen wecken Anteilnahme am Schicksal bestimmter Menschen: „Ein Mensch aus Jugoslawien“ und „I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric, warum sogn's zu dir Tschusch?“
Der Rest ist Wahrheit — Wahrheit, die nicht jeder gerne hört: „Ohne die Hilfe von Gastarbeitern müßten wir länger arbeiten. Bau-und Metallarbeiter hätten noch die 49-Stunden-Woche... Wir müssen froh sein, daß die Gäste aus dem Osten bei uns arbeiten.“ Und: „Müssen sie so wohnen (Bild eines typischen Gastarbeiterquartiers) damit wir so (Bild eines modernen Wohnbaues) wohnen können?“
Nach Abschluß der Werbekampagne wird eine weitere Meinungsforschung des Gallup-Institu-tes erheben, ob die Botschaft angekommen ist und ob die Österreicher ihrer Meinung über die Gastarbeiter etwas abgeändert haben. Das Ergebnis dieser Umfrage wird auch einiges darüber aussagen können, wie groß die Chance ist, mit werblichen Mitteln Menschen nicht nur zum Konsumieren, sondern auch zum Denken anzuregen — und wie es um die Menschlichkeit in unserem Lande steht.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!