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Ein ewiger Energiequell ?

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Sprudelnde Phantasie oder ein Hinweis auf eine (fast) unbegrenzt sprudelnde Energiequelle? Fachleute stehen der „Deep Gas Hypothesis“ skeptisch gegenüber.

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Sprudelnde Phantasie oder ein Hinweis auf eine (fast) unbegrenzt sprudelnde Energiequelle? Fachleute stehen der „Deep Gas Hypothesis“ skeptisch gegenüber.

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Die Hypothese, daß der Großteil der öl- und Gasreserven anorganisch gebildet wurde, Steht in vollem Widerspruch zur allgemein angenommenen Theorie, daß diese Reserven alle biogenen Ursprungs sind. Das Aufflammen der an sich alten Hypothese der anorganischen Entstehung erfolgte 1979, also unmittelbar nach dem ölschock, durch Thomas Gold und Stephen Soter mit ihrer „Deep Gas Hypothesis“ („Tiefengas-Hypothese“).

Gold geht in seiner Hypothese davon aus, daß ursprüngliches Methan tief aus dem Erdinnern kommt und beim Durchströmen von öl in geringeren Tiefen dieses durch Polymerisationsvorgänge vermehrt. Gold sieht so also einen doppelten Ursprung der Kohlenwasserstoffe, wobei er den größeren Anteil für anorganisch hält. Dieser Methanstrom aus dem Erdmantel soll vor allem entlang tiefreichender Störungen stattfinden. Hier könnte dieses Methan nach Gold, ohne unmittelbar oxidiert (verbrannt) zu werden, im Gegensatz zu vulkanbildenden Vorgängen, in die Erdkruste gelangen.

Als Beweis führt Thomas Gold das Auftreten von Schlammvulkanen und Erscheinungen wie Flammen aus dem Erdboden, sprudelndes Wasser, Schwefelgeruch oder hohe Meereswellen in Zusammenhang mit Erdbeben an. Alle diese Ereignisse lassen sich nach Gold durch tiefes anorganisches Methan, welches aus dem 'Erdmantel aufsteigt, erklären. Das Auftreten von großen Erdöl-und Erdgasfeldern in der Nachbarschaft von Erdbebenzonen oder Vulkangebieten zieht er als weiteren Beweis heran.

Neben diesen Argumenten, die aber bei Berücksichtigung der Theorie der biogenen Herkunft der meisten Kohlenwasserstoffe auch erklärt werden können und somit kein anorganisches Methan voraussetzen, erwähnt er auch die Kohlenwasserstoffvorkommen in Meteoriten und Diamanteinschlüssen.

Demgegenüber bezieht die Theorie der organischen Entstehung der Kohlenwasserstoffe den Kohlenstoff aus dem Kohlendioxyd der Erdatmosphäre: bei Fotosynthese von Pflanzen und Bakterien wird Kohlendioxyd reduziert, um organisches Material zu bilden. Nur ein kleiner Teil dieses organischen Materials, das abgelagert und versenkt wird, bleibt erhalten, der Großteil des organischen Materials befindet sich in der Nahrungskette und wird schließlich zurück zu Kohlendioxyd oxidiert.

Die Theorie des biogenen Ursprungs der Kohlenwasserstoffe besagt nun, daß alle Ol- und Gasreserven aus diesem feinst verteilten, organischen Material im Lauf der Versenkungsgeschichte der Sedimente (Ablagerungen) ab bestimmten Tiefen durch thermische Degradation (wärmebedingte Veränderungen des Bodentyps) entstehen. Diese vor allem in feinkörnigen Sedimenten entstandenen Kohlenwasserstoffe wandern dann in poröse Schichten und akkumulieren in sogenannten Fallen.

Mehr als 99 Prozent der Erdöl-und Erdgasreserven liegen in Sedimentgesteinen. Vor allem feinkörnige Sedimentgesteine enthalten, da es hier am ehesten die Möglichkeit hatte, nicht zerstört zu werden, das organische Material, und zwar in sehr konzentrierter Form als Kohle oder als feinst verteilte Partikel (Kerogen). Aus diesem Kerogen, das größtenteils als biogener Herkunft unter dem Mikroskop identifiziert werden kann, entstehen nach der biogenen Herkunftstheorie die Kohlenwasserstoffe.

Massenbüanzen zeigen, daß die Menge an vorhandenem Kerogen die bisherigen Kohlenwasserstoffmengen übersteigt. So entstehen aus einem durchschnittlichen Ton von einem Kubikkilo-meter Größe, wenn nur 20 Prozent des organischen Materials in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden, rund fünf Millionen Tonnen öl oder mehr als drei Milliarden Kubikmeter Gas.

Voraussetzung für die Bildung ist nur eine genügend große Versenkung der sogenannten Muttergesteine (an organischem Kohlenstoff reiche Gesteine), um genügend Kohlenwasserstoffe zu bilden. So wurden viele Kalkulationen durchgeführt, und es treten weder Massenbilanzprobleme (Erdöl- und Erdgasmenge zu vorhandenem Kerogen) auf, noch sind Erdöl- und Erdgaslagerstätten bekannt, wo ungenügend organisches Material, das Kohlenwasserstoffe hätte bilden können, vorhanden ist.

Die meisten Reserven liegen i»,A den Schichten der Kreide- und Jurazeit. Dies läßt sich mit der biogenen Herkunftstheorie leicht erklären. Die besten Muttergesteine stammen aus dieser Zeit, da hier eine große Verbreitung von reduzierenden Bedingungen (sauerstoffarmes bis sauer stofffreies Milieu) am Meeresboden herrschte, die zu hohen Erhaltungsraten von organischem Material führen. Beispiele hierzu sind unter anderem der Mittlere Osten, aber auch groß teils die Nordsee.

Nicht nur, daß sich vor allem über biologische Markierer, die sich vom ursprünglichen organischen Baustein bis ins Erdöl verfolgen lassen, Zuordnungen von Erdöl zu bestimmten Muttergesteinen durchführen lassen, so kann daraus auch teilweise das Ablagerungsmilieu und der Typ des organischen Materials bestimmt werden. Thomas Gold erkennt zwar diese als Kontaminationen (Verunreinigungen) durch das Gestein an, wobei diese aber häufiger vorhanden sind als er annimmt.

Während eine überwiegend organische Entstehung von Erdöl kaum in Frage gestellt werden kann, erscheint der Gegenbeweis einer anorganischen Entstehung bei Methan zunächst wesentlich schwieriger.

Erdgas besteht im Vergleich zu Erdöl aus nur wenigen Komponenten, doch kann kaum abgelehnt werden, daß deren größter Teil biogenen Ursprungs ist. Aus den Muttergesteinen entstehen nach der Bildung des Erdöls noch genügend große Mengen an Gas, sodaß, wenn nur eine kleine Menge dieser Sedimente tief genug versenkt wurde, genügend Gas für die Weltreserven, und mehr als das, gebildet wurde.

Als Beispiel sollen hier kurz Erdöl- und Erdgasvorkommen des Wiener Beckens erwähnt werden, die bisher in Tiefen von wenigen hundert Metern bis in über 8000 Meter Tiefe gefunden wurden; hier konnte eine Zuordnung von Erdöl und Erdgas zu bestimmten Muttergesteinen vorgenommen werden, soweit es sich nicht um seicht entstandenes bakterielles Gas (vergleichbar Sumpfgas) handelt.

Abschließend kann also festgehalten werden, daß die Reserven an Erdöl und Erdgas biogener Herkunft zu sein scheinen. Die meisten Argumente, die für eine anorganische Herkunft des Erdgases sprechen, unterstützen auch die Hypothese seiner organischen Entstehung. Ein Vorhandensein anorganischen Methans an bestimmten Riftzonen des Ozeans kann nicht ausgeschlossen werden, doch scheinen die wirklich bedeutenden Reserven organischer Herkunft zu sein.

Die Reserven sind somit nicht unerschöpflich, doch es sind noch lange nicht alle Sedimentbecken exploriert oder ausreichend ex-ploriert; die Exploration nach Kohlenwasserstoffen wird aber immer schwierigere Gebiete untersuchen müssen, um weitere Reserven zu erschließen.

Der Verfasser ist Geochemiker bei der DMV.

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