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Geschichten von Gott und den Menschen
In Jeannie Ebners neuer Sammlung von Erzählungen „Protokoll aus einem Zwischenreich“ zeigt sich wieder ihre besondere Begabung für die „Kleine Prosa“. Auf knappem Raum gelingt es ihr am besten, den Leser in Bann zu ziehen, ihn in ihre mythisch-magischen Traumwelten zu entführen, die zugleich sehr unmittelbar Zeitprobleme, Alltagswirklichkeit erhellen, uns alle im jeweiligen Hier und Heute ansprechen wollen. Für Jeannie Ebner steht immer der Einzelmensch im Mittelpunkt. Ihre Figuren bewegen sich in einer konkreten Wirklichkeit, hinter der freilich metaphysische Hintergründe transparent werden, in die Kräfte und Mächte hineinwirken, himmlische und teuflische, Götter und Dämonen. Hinter dem allen, verhüllt, der eine lebendige Gott. Nicht als Deus ex machina tritt er auf, sondern als der Vater Gott, der dem Menschen neue Wege anbietet in Chaos und Verzweiflung, der Böses vergibt und Möglichkeiten eröffnet, Versäumnisse durch Reue „rückgängig“ zu machen.
Solche christliche Grunderfahrungen rücken in der Titelgeschichte „Protokoll aus einem Zwischenreich“ sehr überzeugend ins Blickfeld — für mich die schönste und bedeutendste Erzählung der Sammlung.
Da wird ein Mann zwischen Traum und Wachsein von drei imaginären Personen an; ein vergessenes Ereignis erinnert, bei dem er zum „Handlanger des Bösen“ geworden ist; Personen, die als Richter und Helfer auftreten und den Mann zu der Überzeugung geleiten, daß man im Leben — wie beim Schachspiel, das hier als Gleichnis herangezogen wird — „falsche Züge zurücknehmen kann. Um etwas wieder gutzumachen. Ich weiß nicht mehr, ob ich träume oder wache, lebendig oder tot oder halb wahnsinnig bin. Aber ich bin gänzlich überflutet von grüner Hoffnung, daß es für jeden Schmerz, der echte Reue ist, eine Erlösung gibt.“
Nicht immer führt Jeannie Ebner ihre Leser auf so trostreiche Wege. Es gibt in ihrem Erzählband Geschichten, in denen Trauer und Sehnsucht nach Unerreichbarem überwiegen. Menschliches Bemühen steht großem Versagen gegenüber.
Wenn man versucht, die Quintessenz aus der Lektüre des Buches zu ziehen, sind für mich zwei Dinge wesentlich: Die Frage der Autorin nach dem Sinn menschlichen Daseins und die nach Gott und seinem Wirken in der Welt. „Es geht aber in diesen Dingen doch um die Wahrheit, den Weg und das Leben“, heißt es im „Protokoll aus einem Zwischenreich.“ Die schon in dem Erzählband „Die Götter reden nicht“, in der neuen Publikation wieder veröffentlichte Geschichte „Der Vater“ schließt mit dem Satz: „Welch ein Unternehmen, den Unsichtbaren zu beschreiben mit Figuren, die für das menschliche Auge das Merkmal der Unsichtbarkeit tragen.“
Der Mensch in seinen irdischen Verflechtungen und Versuchungen, und doch in Gottes Hand — das unauflösliche Geheimnis, zwischen freiem Willen und Gnade zu stehen —, ist das Hauptthema Jeannie Ebners von Anbeginn gewesen und ist es noch heute. Sie spricht davon durchaus „weltlich“ und macht gerade dadurch ihren suchenden Zeitgenossen brennende Existenzprobleme verständlich.
„PROTOKOLL AUS EINEM ZWISCHENREICH“. Erzählungen von Jeannie Ebner. 175 S. Styria Verlag, Graz, Wien, Köln 1975.
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