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Gruß an eine Dichterin

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Ich kenne die Jeannie Ebner schon so lange, daß es gar nicht mehr wahr ist. Sie war eine getreue Helferin, eine sehr uneigennützige, sie war mit dabei, als wir anfingen, die .jungen Autoren“ zu sammeln und zu versammeln. Es war im Cafe Raimund, gegenüber vom Wiener Volkstheater, und Jeannie hatte eine bewegte berufliche Vergangenheit jenseits der Literatur, sie war tüchtig und aktivistisch im Zusammenhang mit Mann, Roß und Wagen, und sie verfaßte Lyrik, die Eindruck machte: Sie hat das Verdienst, daß ihr erstes Buch mir dediziert wurde („Für Hans Weigel als Dank für Ermutigung und Kritik.“). Das war damals sehr schön für mich, und seither waren es gar nicht viele seinesgleichen.

Dieses erste Buch war ein großer Wurf, und es tut mir leid, daß das Haus Styria zwar — Gott sei

Dank! - vieles von Jeannie revita-lisiert hat, aber dieses noch nicht.

Man hat die Jeannie gelegentlich scherzhaft „die Autorin des Neuen Testaments“ genannt, aber das ist eine bösartige Falschmeldung. Das Neue Testament ist gar nicht von ihr. Sie huldigt nur einem Erzählklima, das in seiner Selbstverständlichkeit des Irrealen biblisch genannt werden darf.

Ihr Weg war nicht leicht, denn sie ist eine Dichterin. Sie ist anspruchslos und mußte, um sich durchzubringen, viel Brotarbeit im Zusammenhang mit Literatur leisten. Sie war Übersetzerin, war lange, lange, überlange Redakteurin einer literarischen Zeitschrift und hat als solche viel Gutes für die Kolleginnen und Kollegen tun können. Ich weiß nicht, ob irgend jemand schon auf den Gedanken gekommen ist, also tu* ich's jetzt vorsorglich hiemit und sage ihr im Namen unserer armen, vielgeplagten, heimgesuchten österreichischen Literatur ein ehrliches Dank'schön! Sie war und ist der gute Geist und die gute Seele dieser österreichischen Literatur. Was täten wir ohne sie?!

Ihre Prosa ist vielfältig und vielseitig. Wenn auch durchaus biblisch, gelegentlich auch antikisch, orientiert, kann sie sich doch ungeniert von der Wirklichkeit herleiten; und es ist mir im Bundesland Niederösterreich geschehen, daß ein sympathischer Herr sich mir als der Held ihrer letzten Novelle vorstellte.

Apropos Niederösterreich: sie hat für einen großen repräsentativen Niederösterreich-Bildband den hervorragenden, kundigen und wohlinformierten, formschönen Text-Teil beigestellt. Daß ihre Heimatstadt Wiener Neustadt in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist, daß sie dort die ihr gebührenden Ehren genießt, muß nicht... nein, das heißt: es muß rühmend hervorgehoben werden. Gäbe es in dieser Stadt eine poeta laureata, dann wäre sie es.

Ihren ersten, ganz kleinen, Lyrikband durfte ich herausgeben. Er hieß „Gesang an das Heute“ und war sehr dünn. Seither ist etliche Ebner-Lyrik erschienen, der Gesang hat sich verändert, das

Heute hat sich verändert, aber es sind Gedichte von Jeannie Ebner geblieben, heimgesucht von Verlegern aller Art.

Irgendeinmal wird unsere Welt sich ändern. „Dichter“ wird kein Schimpfwort mehr sein. Und da werden nicht nur die Seiler zirkulieren, sondern die Menschheit wird sich ihrer wahren Werte besinnen. Da werden auch die Verse der Jeannie Ebner aus dem Nicht-gewesensein wiederkehren, man wird sie zusammensuchen und drucken. Da wird die letzte Zeile eines der schönsten Gedichte ihrer ersten Zeit neues Leben gewinnen: „Du mußt weiter-gehn ...“ Und es wird, sie wird weitergehn.

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