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Mxindart-Lyiik in Wien

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Im Auftrag seiner Erben hat man mir den Gedichtband „Weana Schbrüch" von Ernst Kein zuge- schickt. Ich habe seinen frühen Tod sehr bedauert, und, wie es oft in solchen Fällen geht, auch, daß ich ihm nicht näher gekommen war. Er hat, über die regelmäßig in einer Tageszeitung abgedruckten Kurz- verse hinaus, viele schöne und bemerkenswerte Texte hinterlas-

sen, die mit der Sprache und mit dem Druckbild spielen und die aufbewahrt und analysiert gehör- ten. Aber was gehörte nicht alles aufbewahrt und analysiert bei uns!

Und Herbert Pirker schickt mir sein Neuesterschienenes mit dem geheimsprachlichen Titel „Im Wiadshaus, auf da Gossn und da- haam". Ich schätze diesen Autor aufrichtig, unter anderem darum, weil er mich nicht um ein Vorwort für dieses Buch gebeten hat. Und so drängt's mich zu einem Nachwort - jetzt hab' ich's!

Die Geschichte der Wiener Mund- art-Lyrik ist facettenreich. Ich weiß, daß Heimito von Doderer diese Verse, und insbesondere den Kolle- gen Artmann geliebt hat. Ich erin- nere mich an die erste Publikation, ich besitze dieses überaus kleine Heft, mit dem ins Wienerische trans- kribierten „Wasserreservoir". Dann

folgte bald das Elementarereignis die „schwarze Tinte", die mich ängstigte, über die ich aggressiv ablehnend schrieb, über die ich Parodien veröffentlichte, aber das habe ich zurückgenommen.

Ich habe viele Mundart-Kollegin- nen und -Kollegen zur Kenntnis genommen, ich habe keine Vorbe- halte mehr, gegen Wasserhosen und Springfluten wären Vorbehalte lächerlich. Ich habe ein Requiem von H. C. Artmann kennengelernt, das nie gedruckt wurde, dessen Tonband mir Kollege Chobot ge- schickt hat, aus dem mir Kollegin Lisi Wedenig (auch eine Mundart- Autorin) das Optische destilliert hat:

...Ka Rua, ka Ruah, ka Ruah, gib eana ka Ruah, leicht eahna ham mit deina La- tern,

daß plazn und rean in Wean...

Und so weiter durch den ganzen liturgischen Text.

Ich habe etliche großartige kurze Poeme von Josef Mayer-Limberg kennengelernt, vieles von Trude Marzik, von Lore Krainer, und da bin ich schon bei den sogenannten

Liedermachern, die ich für sehr wichtig halte, Ambros, Danzer, Fendrich, Cornelius und vor allem die lyrische Wunderfrau Stephanie Werger, und auch der Georg Kreis- ler gehört sehr intensiv dazu, und erfunden hat es vielleicht vor dem Artmann der Gerhard Bronner, bei dem sich Kostüm auf Füm reimt.

Und da ich so viel, gerade über die zwei neuen Bände nachgedacht hab', fällt mir zweierlei ein.

Es ist erstens nicht die Sprache und nicht die Orthographie, die sind Zusatzreize, indem sie Neues, Ungewohntes zu unseren Augen bringen. Es ist die poetische Sub- stanz, die sich des Ungewohnten bemächtigt, und da sie schon der Anlaß zu dieser Meditation waren, gebührt es ihnen, hier auch zitiert zu werden, dem Herbert Pirker:

i ken an

dea ged nua mea

zum megdonoed

wo s d auf an bobndekldöla

a mölechs lawal med an vatrikatn faschiadn

zum essn griagsd weu s so mo- dean is

i glaub

wann si dea in finga schneit kumd ka bluad aussa sondan ketschob und kokakola also Kulturkritik, und dem Ernst Kein: Ned nua daas de baradeisa jezt doman hassn

schmekns aa no

demendschbrechend

Also, und da bin ich bei der zwei- ten Bedeutsamkeit. Wir brauchen ein österreichisches Selbstgefühl, jetzt, da die geballte gesamtdeut- sche Macht auf uns zuzukommen droht.

Ein Selbstbewußtsein.

Wir brauchen etwas, das wir ihnen entgegensetzen können. Hier ist die Orthographie, die Gramma- tik, der Wortschatz, den wir zum Überleben brauchen werden.

WEANA SCHBRÜCH. Von Ernst Kein Rom denz Verlag, Salzburg 1990. 140 Seiten. öS 148,-.

IM WIADSHAUS, AUF DA GOSSN UND DAHAAM. Von Herbert Pirker. Edition Atelier, Wien 1990.120 Seiten, öS 148,-.

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