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Perus Rote Khmer

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Nach der klassischen Landguerilla (Kuba), der Stadtguerilla (Brasilien, Uruguay) und dem Volksaufstand (Nikaragua) taucht in Lateinamerika nun eine neue Form des bewaffneten Widerstandes auf: Der „Sendero Lu- minoso“ (Leuchtender Pfad) hält das wirtschaftlich geschwächte Peru (elf Milliarden Dollar Außenschuld, 70 Prozent Inflation) in Atem.

Die Bewegung, die in zum Teil schwer zugänglichen Hochlandregionen seit kaum drei Jahren an die 3.500 gewalttätige Operationen durchgeführt hat, übernahm weder Ideen von „Che“ Guevara noch von Regis Debray. Sie hält zu Kuba Distanz und verweigert den Kontakt mit den Medien, der allen traditionellen Bewegungen (z. B. dem M19 in Kolumbien) so wichtig ist.

Der schonungslose Terror des Sendero Luminoso richtet sich gegen Polizisten, Lehrer, Wucherer, Händler und Regierungsvertreter. Seine Sabotageakte ruinieren Elektrizitätsanlagen, Brük- ken und Versorgungsbetriebe, so- daß gelegentlich die ohnehin schwache Infrastruktur auf der Hochebene zusammenbricht.

In Lima fällt das Wort, die Rücksichtslosigkeit sei derart, daß man es auf dem eigenen Hochland mit einer Art Röter Khmer auf Ketschua zu tun habe.

Die Sendero Luminoso-Bewe- gung ist das Werk von Abimael Guzmän. Der 50j ährige ist ein ehemaliger Soziologie- und Philosophiedozent, der bei den Studenten- und Bauernprotesten der sechziger Jahre mitgemacht hat Er gehörte zu den linken Sektie-

rern, die eine Mitarbeit an der linksnationalistischen Militärregierung (1968 bis 1974) strikt ablehnten.

Stattdessen nützte Guzmän jene Jahre der Amnestie, um eine maoistische Bauern-, Indianerund Studentengefolgschaft auf den „leuchtenden Pfad“ zu führen, den der (1930 verstorbene) blendende Denker und Kreolenmarxist Mareategui vorgezeichnet hatte.

1980 eröffnete der Sendero Luminoso den Kampf im Hochland von Ayacucho und Apurimac. Guzmäns Motto: Vom Land her die Städte einkreisen!

Bis zu Beginn dieses Jahres zögerte Präsident Fernando Be- launde — schon einmal, 1968, vom Militär gestürzt, aber 1979 wieder gewählt —, dem Militär den Kampf gegen die neue Guerilla zu übertragen. Jetzt erfüllt das Heer diese Aufgabe — mit jener Grausamkeit, die längst zu den Tragödien des peruanischen Hochlandes gehört.

Was in den betroffenen Provinzen passiert, läßt sich nicht mit Klarheit sagen, weil die’Militärbulletins unvollständig sind. Feststeht, daß verschreckte Campesi- nos in die größeren Orte kommen und von Greueltaten in ihren Dörfern berichten. Im Jänner wurde eine Gruppe von acht Journalisten, die im Hochland selber recherchieren wollte, ermordet. Man weiß nicht, ob die Guerille- ros, die Militärs oder aufgehetzte Bouren dahinterstecken.

Nur so viel ist klar: Die Bewegung ist keineswegs eingedämmt, und die 350 Sendero Luminoso- Häftlinge im El-Fronton-Gefäng- nis auf der Strafinsel vor Callao verbreiten unter den Bewachern so viel Angst, daß sie die Haftanstalt in die „Erste befreite Zone Perus“ umwandeln konnten.

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