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WENN EINE BARRIERE FALLT ...

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„Papst rechtfertigt das FP-Volksbegehren voll!” schlagzeilt Haiders „Neue Freie Zeitung”. Um bewußt und unseriös einen Konflikt zu schüren. Mit jenen, die jetzt Partei für mehr Menschlichkeit ergreifen - gegen ein Partei-Begehren, das gezielt mit Ängsten und Vorurteilen spielt.

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„Papst rechtfertigt das FP-Volksbegehren voll!” schlagzeilt Haiders „Neue Freie Zeitung”. Um bewußt und unseriös einen Konflikt zu schüren. Mit jenen, die jetzt Partei für mehr Menschlichkeit ergreifen - gegen ein Partei-Begehren, das gezielt mit Ängsten und Vorurteilen spielt.

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Kein einziges Mal kommt das Wort Volksbegehren vor, weder Jörg Haider noch die FPÖ werden genannt, keinerlei polemischer Unterton: Die von der Katholischen Aktion Österreichs herausgegebenen „Zehn Ge-gen-Sätze für Menschenfreunde” (FURCHE 1/1993) - 650.000 Faltblätter wurden bereits geordert - argumentieren sachlich, korrekt und mit Zahlen belegt gegen Stereotypen und Vorurteile in der Ausländerfrage. Es wird Partei ergriffen: für Menschen, für die Menschlichkeit.

Die FPÖ sieht sich dadurch - wieso eigentlich und wodurch? - angegriffen, spricht von „Parteipolitik” der Kirche. Die Kirche habe sich, schäumte Jörg Haider bei der Auftaktveranstaltung zum Anti-Aüsländer-Begeh-ren am vergangenen Sonntag in Graz, „in den Dienst der Agitation gestellt”. Und in einem Aufwaschen wurde auch Bundespräsident Thomas Klestil scharf attackiert, weil er sich für das FP-Begehren nicht erwärmen kann: Staatspolitische Verantwortung wird ihm abgesprochen, die reklamiert der FP-Chef für sich und sein Begehren -mit Forderungen, die „in der Sache von niemanden entkräftet” worden seien.

Die Spekulation mit Ängsten

Das Gegenteil stimmt - und daher ist es zum Konflikt gekommen. Die gediegene Auseinandersetzung und Argumentation (siehe dazu Seite 10 und 11) hat Jörg Haider nervös gemacht. Er hat damit spekuliert, bestehende Ängste, Vorurteile, Frustrationen und Einstellungen unmittelbar nützen zu können. Und die gibt es natürlich. Deshalb ist jemand noch lange kein Menschenfeind oder rechtsradikal.

Was zunächst nur Einstellung ist, die bei entsprechender Auseinandersetzung eine Änderung erfahren kann, bekommt durch die Unterschrift unter ein Volksbegehren eine andere Qualität: sie wird in aktives politisches Handeln umgesetzt. Damit wird - vielen wahrscheinlich unbewußt -eine Barriere überschritten. Und darauf zielt Haider mit seinem Begehren eigentlich ab.

In der Sache selbst hat die FPÖ ihrerseits das Anliegen, das sie jetzt via Volksbegehren ins Parlament bringen wird, ja überhaupt nicht volksvertretend verfolgt (FURCHE 44/ 1992). Kein einziger freiheitlicher Antrag, der inhaltlich den zwölf Forderungen auch nur annähernd entsprochen hätte, lag bis zum Wirbel rund um das Begehren zur Beratung vor. Und eine normale parlamentarische

Beratung der FP-Punkte lehnte Haider erst recht ab. Mit welchem Ziel? Das Volksbegehren wird danach auch keine andere erfahren - so korrekt, wie das bei früheren der Fall war.

Was immer auch über die Beteiligung spekuliert wird: Die überwiegende Mehrheit der unterzeichnungsberechtigten - weil wahlberechtigten -Österreicherinnen und Österreicher wird das FPÖ-Be-gehren, das vom 25. Jänner bis zum 1. Februar unterschrieben werden kann, nicht unterstützen. Das hat aber auch -um objektiv zu bleiben - bisher noch kein Volksbegehren geschafft: weder das legendäre Rundfunk-Volksbegehren noch jenes zum Schutz des Lebens noch das (bisher erfolgreichste) gegen das Konferenzzentrum bei der Wiener UN-City. Jede Kampagne hat aber Rückwirkungen auf die politische Kultur des Landes gehabt. Und die werden diesmal Österreich lange zu schaffen machen.

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