Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Dem Populismus Grenzen ziehen
Mehr Bürgerbeteiligung, weniger Einfluß der Sozialpartner, eine ehrliche Vergangenheitsbewältigung: Die FPÖ will mehr sein als bloß der Hecht im Karpfenteich.
Mehr Bürgerbeteiligung, weniger Einfluß der Sozialpartner, eine ehrliche Vergangenheitsbewältigung: Die FPÖ will mehr sein als bloß der Hecht im Karpfenteich.
FURCHE: Die Freiheitliche Partei trifft immer wieder der Vorwurf, sie betreibe Opposition lediglich um der Opposition willen und agiere viel zuwenig konstruktiv.
NORBERT GUGERBAUER: Eine Oppositionsfraktion muß sich selbst Grenzen ziehen, vor allem in Richtung Aktionismus, auch, wenn Sie so wollen, in Richtung Populismus. Die FPÖ strebt bewußt eine konstruktive Oppositionspolitik an. Nur dann haben wir auch eine reelle Chance, die bessere Opposition und eine künftige Alternative zu den beiden gegenwärtigen Regierungsparteien darzustellen.
FURCHE: War eigentlich das Anti-Privilegien-Volksbegehren derFPÖ erst der Auftakt für viele außerparlamentarische Initiativen?
GUGERBAUER: Ein Mehr an Bürgerbeteiligung kann Österreich nicht schaden. Insofern arbeiten wir daran, die Instrumente Volksbegehren und auch Volksabstimmung rechtlich besser auszustatten. Wir wollen den Staatsbürgern die Scheu davor nehmen, sich derartiger Instrumente zu bedienen.
Ort der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition bleibt aber das Parlament. Ich glaube, daß der Parlamentarismus in Österreich ebenfalls aufgewertet werden muß.
FURCHE:Mit den Volksbegehrensinitiativen will die FPÖ also auch eine Art plebiszit&re Erziehung der Österreicher erreichen?
GUGERBAUER: Ein Volksbegehren, so es die FPÖ initiiert, kann immer nur den Inhalt selbst zum Ziel haben. Wir dürfen sicher nicht der Versuchung nachgeben, ein Volksbegehren um des Volksbegehrens willen in die Wege zu leiten. Dann würden sich diese Bemühungen sehr rasch abnützen, und wir hätten am Ende den gegenteiligen Effekt erreicht.
FURCHE: Warum stört die Freiheitlichen die Verankerung von Spitzenfunktionären der Sozialpartner in den gesetzgebenden Körperschaften?
GUGERBAUER: Die Sozialpartnerschaft hat ihre Bewährungsprobe in der Zeit des Wiederaufbaus abgelegt. Mit dem Abzug der Besatzungsmächte wurden sowohl die Regierungs form einer großen Koalition wie auch die traditionelle Sozialpartnerschaft zunehmend fragwürdig.
Nur das Auseinanderhalten der Aufgaben der Gesetzgebung auf der einen und der Kammern und Interessenvertretungen auf der anderen Seite gewährleistet heute, daß unsere Demokratie transparenter wird, daß die Freiräume der Bürger geachtet werden, und daß das ganze politische System auch für junge Menschen attraktiv bleibt.
FURCHE: Sie haben Kurt Waldheim nicht gewählt. Andererseits nahm Jörg Haider, zumindest im Präsidentschaftswahlkampf, unter Hinweis auf die Verdienste der ,JZriegsgenera- tion Waldheim in Schutz. Geht die Meinung zum Bundespräsidenten noch immer quer durch die FPÖ?
GUGERBAUER: Es ist meines Erachtens falsch, Kurt Waldheim als Vertreter der Kriegsgeneration - im positiven Sinn — anzuerkennen. Im Präsidentschaftswahlkampf hat die ÖVP-Wahl- kampfleitung versucht, auf gewisse Sentiments abzuzielen und die Generation der Kriegsteilnehmer in die Pflicht zu nehmen.
Nur: Jörg Haider und auch ich gehen heute davon aus, daß Kurt Waldheim der demokratisch gewählte Bundespräsident ist und daß auch jemand, der ihn nicht gewählt hat, diese Wahl akzeptiert.
FURCHE: Schon bald werden wir uns mit dem, Jubiläum 1938“, also mit dem .Anschluß“ Österreichs an Deutschland vor 50 Jahren, auseinandersetzen müssen. Welchen Beitrag kann da die FPÖ leisten, in der ja viele eine politische Heimat gefunden haben, die seinerzeit vehement für den Anschluß“ eingetreten sind?
GUGERBAUER: Ein spezieller Beitrag der FPÖ kann nur darin bestehen, zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dieser Zeit beizutragen. Diese Ehrlichkeit fehlt seit 1945, auch im Bereich des sogenannten Dritten Lagers. Man hat sich da lange davor gescheut, bestimmte Fakten zur Kenntnis zu nehmen, die das eigene Weltbild, das eigene Erleben erschüttert haben.
Für sehr viele aus dieser Generation war es lange Zeit schwer, sich einzugestehen, daß man zur
Verwirklichung verbrecherischer Ziele eingesetzt und mißbraucht wurde.
FURCHE: Wäre diese Aufarbeitung unserer eigenen Vergangenheit auch ohne die Diskussion um den Bundespräsidenten passiert?
GUGERBAUER: Die Diskussion rund um die Person Kurt Waldheims, die uns zugegebenermaßen vom Ausland aufgezwungen wurde, bietet die große Chance, manche „historische Leichen“ aus den Kellern hochzuholen. All die Vorwürfe, die uns zum Teil zu Unrecht, zum Teil aber auch zu Recht treffen, können auch eine Art Katalysatorfunktion entwik- keln. Wir alle könnten dadurch zu einem ehrlicheren Geschichtsverständnis gelangen.
Mit dem Generalsekretär der Freiheitlichen Partei Österreichs und Abgeordneten zum Nationalrat sprach Tino Teller.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!