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Einwände gegen Verosta

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Es scheint mir sehr bedeutsam zu sein, daß der Vizekanzler, wie er selbst im Nationalrat sagte, die Auffassung des Prof. Verosta nicht teilt. Wenn von einigen, aber gar nicht wesentlich erscheinenden Stellen seines Gutachtens abgesehen wird, die Völkerrechtswissenschaftler zur Diskussion herausfordem könnten, gibt es nichts, was nicht der herrschenden Völkerrechtslehre entspricht Dazu zählt auch die Unterteilung in politische, militärische und wirtschaftliche Neutralitätspflichten. Es wäre unverständlich, wenn sich das für die Verhandlungen Österreichs mit der EWG zuständige Mitglied der Bundesregierung tatsächlich von den allgemein anerkannten N eutralitätsauff assungen distanzieren sollte. Kein vernünftiger Politiker kann die politische Beurteilung Verostas hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Österreichs Politik gegenüber der EWG und dem politischen Gleichgewicht in Europa ablehnen. Tončič ist in dieser Hinsicht viel deutlicher geworden, als er feststellte:

„Würde es... gelingen, eine solche Formel zu finden, die die Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft ermöglicht, ohne die Postulate der Neutralität und den Sinn des Staatsvertrages zu verletzen, ... würde diese Lösung das Machtequilibrium zwischen Ost und West in diesem Teil Mitteleuropas nicht stören, was eine Voraussetzung für die politische Durchsetzbarkeit eines Übereinkommens zwischen Österreich und der Gemeinschaft bildet." (Hervorgehoben von Tončič!)

Das ist überhaupt die entscheidende politische Frage, nicht bloß ein Gesichtspunkt, sondern eine unbestreitbare Tatsache. Und wenn Vodopivec in seiner Polemik gegen Verosta — die übrigens sehr an AfcCarthy-Praktiken erinnert, vor welchen Österreich rechtzeitig verschont werden sollte — das als eine überflüssige Frage bezeichnet, muß Vodopivec zur Kenntnis nehmen, daß man seine Auflassungen Uber die österreichische Außenpolitik nicht mehr ernst nehmen kann, da sie einer hinreichenden Gründlichkeit entbehren. Fiktionen wurden Österreich schon zu oft zum Verhängnis!

Eine objektive Betrachtung der Verosta-Thesen über die Quasi- Neutralität wird zu dem Schluß kommen, daß diese stichhältig sind. Sie sind in keinem Punkt „gewagt", sondern sehr ausgewogen in der Formulierung. Es handelt sich keineswegs um eine „Geschichtsklite- rung“ (Vodopivec). Nur über die Etikette wird man streiten können. Und das ist sicherlich kein sehr würdiger Gegenstand einer Diskussion.

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