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Anmerkungen zur wieder aufgeflammten Auseinandersetzung um die Abtreibung.

Kardinal Königs Wort von der "offenen Wunde" der Abtreibung wird in diesen Tagen wieder häufig zitiert. Diesmal entzündete sich die Diskussion im schillernden Milieu des Bau-und Partylöwen Richard Lugner: Just im Vorfeld des Opernballs, einer Zeit, in der Lugner bekanntlich mediale Aufmerksamkeit stets in besonderer Weise zuteil wird, eröffnete in seinem Einkaufszentrum das sexualmedizinische Zentrum "VenusMed", in dem auch Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden.

Durch die zeitliche Koinzidenz werden zunächst einmal Mechanismen unserer Mediengesellschaft bloßgelegt: alles kann - scheinbar gleichwertig - für eine bestimmte Zeit "ein Thema" sein: Abtreibung und Paris Hilton. Wobei die Debatte um Ersteres nicht unbeeinflusst vom Kitzel um das Society-Sternchen und dessen Gastgeber bleiben konnte: sie fand dadurch wohl mehr Beachtung, drohte aber gleichzeitig - dem Thema völlig unangemessen - ins Lächerliche zu kippen.

Dieses Thema freilich, die Frage nach dem Schutz des ungeborenen Lebens, lässt uns auch ohne medialen Hype nicht los. Paris Hilton ist weg - und das ist gut so; aber über die Abtreibung wird nach wie vor diskutiert - und das ist prinzipiell auch gut so. Wer bei Einführung der Fristenregelung gedacht oder gehofft haben mochte, gängige Praxis würde mit der Zeit jede Diskussion obsolet machen, hat sich geirrt. Zwar wurde der juristische Unterschied zwischen "straffrei" und "erlaubt" nicht breitenwirksam rezipiert; wenig überraschend gilt allgemein als erlaubt, was straffrei gestellt ist. Das Problem-und Unrechtsbewusstsein bezüglich des Schwangerschaftsabbruchs ist wohl im Lauf der Zeit tatsächlich geschwunden. Doch dürften nicht zuletzt die bioethischen Debatten rund um die Manipulierbarkeit von Anfang und Ende des Lebens die Sensibilität auch für die Abtreibungsfrage erneut geschärft haben.

Wenig erfreulich ist indes, dass auch in der gegenwärtigen Auseinandersetzung einmal mehr eine lautstarke Minderheit, die in der Nachrichtenagentur kath.net ihre Plattform und im Salzburger Weihbischof Andreas Laun ihre Galionsfigur hat, den Eindruck erweckt, einzig ihr sei es um den wahren Lebensschutz zu tun. So griff Laun dieser Tage den nicht gerade libertären Gedankenguts verdächtigen Ex-Nationalratspräsidenten Andreas Khol scharf an: Dieser hatte in seiner Presse-Kolumne unter anderem vermehrte Befassung mit Gründen und Langzeitfolgen von Abtreibungen gefordert, sich aber auch deutlich gegen eine Rückkehr zur Strafverfolgung ausgesprochen. Für Laun hingegen ist die Sache einfach: "die ,Wunde schließen' durch Abschaffung der Fristenlösung". Dass der Bischof in diesem Kontext geradezu frivol mit Überfremdungsängsten spielt (die Islamisierung sei - auch wegen der vielen Abtreibungen - nicht aufzuhalten, aber wenigstens werden die Moslems dann die Fristenlösung wieder abschaffen, meint er sinngemäß), rundet das Bild ab.

In die selbe Kerbe schlägt kath.net, unermüdlich allem Abweichlertum von der reinen Lehre auf der Spur. Zu den bevorzugten Objekten ihrer nicht selten denunziatorisch vorgetragenen Kritik gehört die Aktion Leben, die sich seit Jahrzehnten so engagiert wie behutsam auf dem schwierigen Terrain der Schwangerenberatung und-hilfe bewegt. (Nicht zuletzt Khols Forderung "Man muss die Aktion Leben und alle Gleichgesinnten stärken" hat wohl Laun und alle Gleichgesinnten auf die Palme gebracht …) Nun wurde gar Erich Leitenberger, Pressesprecher der Erzdiözese Wien und somit schon von Amts wegen der Dissidenz unverdächtig, der Kumpanei mit Lugner geziehen, weil er - zu Recht - den Streit um die von Laun angedrohte "Exkommunikation" Lugners kritisiert hatte …

Nein, so einfach lassen sich offene Wunden nicht schließen; und vielleicht ist es sogar so, dass offene Gesellschaften nicht ohne offene Wunden denkbar sind - was uns freilich nicht von der Pflicht zur Pflege und Heilung entbindet. Und noch etwas: Die "Wunde" ungewollter und abgebrochener Schwangerschaften mitsamt der zugrundeliegenden Problematik des Zusammenhangs von Sexualität und Fortpflanzung wurde nicht durch die "Fristenregelung" geschlagen, nur dadurch viel deutlicher sichtbar.

rudolf.mitloehner@furche.at

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