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Keine Medizin-„Titanics"

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Von der Öffentlichkeit weithin unbemerkt, liegen sehr konkrete Zahlen über die Leistungen der österreichischen Krankenhäuser im KRAZAF (Krankenanstaltenzusammenarbeitsfonds) vor. Fast nur Insider wissen, daß die österreichischen Ordens- und Glaubensgemeinschaften Österreich weit die an Patienten- und Bettenanzahl größten Krankenhausträger sind. Durch die Anwendung des in Vorarlberg erprobten LDF (leistungsorientierte Diagnose-fallgruppen)-Punktekataloges des LKP (leistungsgerechte Krankenan-staltenfinanzierung)-Modelles ist es jetzt erstmals auch tmöglich, die Leistungsangebote der einzelnen Krankenhäuser qualitativ zu vergleichen.

Die österreichischen Ordenskran -kenhäuscr (OKU) haben 1994 18 Prozent der in Österreich stationär aufgenommenen Patienten betreut, und die medizinischen Leistungen entsprechen 17 Prozent der österreichischen LDF-Leistungs-punkte. Bei Anwendung des ICD-9 Leistungskataloges (internationale Klassifikation der Krankheiten, 9. Revision) wurden 21 Prozent der „Medizinischen Einzelleistungen" (Katalog ausgewählter medizinischer Einzelleistungen, veröffentlicht vom Ministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz 1993) in Ordenskrankenhäusern durchgeführt. Für diese Leistungen benötigten die Ordenskrankenhäuser aber nur zwölf Prozent der Krankenhauskosten Österreichs. Zweitgrößter Anbieter von Krankenhausleistungen in Österreich ist die Gemeinde Wien mit 13 Prozent der stationären Patienten, 14 Prozent der LDF-Leistungspunkte und 19 Prozent der Spitalskosten Österreichs. Auch in der LDF-Punktewertung zeigt sich die Ausnahmestellung des Wiener AfvH (Universitätskliniken), das bei vier Prozent der stationären Patienten und fünf Prozent der LDF-Punkte elf Prozent der Spitalskosten aufweist.

Konkreter als mit abstrakten LDF-Punkten kann man die Leistungen der Krankenhäuser auch mit den Zahlen für „Medizinische Einzelleistungen" dokumentieren. Hier liegen aber für die Ordensspitäler aufgrund der Re-gionalisierung der Auswertungen nur, die Wiener Ergebnisse vor. In den acht Wiener OKH wurden 1994 278 Darmkrebsoperationen, 241 Operationen der weiblichen Brust, 1.146 Gallenblasenoperationen, 596 Hüftoperationen durchgeführt und 240 Herzinfarkte sowie 363 Gehirnblutungsstörungen behandelt. Damit liegen die Wiener OKH bei diesen wichtigen, kostenintensiven Diagnosegruppen zwischen 67 und 141 Prozent der Durchschnittswerte. Genauso kann aus den KRAZAF-Berichten aufgezeigt werden, daß die Wiener OKH wesentlich rascher auf die kostenintensivere, aber patienten-freundlichere lapraskopische Operationstechnik bei Gallenblasenoperationen umgestiegen sind.

Derzeit drohen einige wesentliche Fakten der Gesundheitsmedizin in der „Reformdebatte" unbeachtet zu bleiben. Medizinische Großeinrichtungen, von manchen „Titanics" genannt, stellen keineswegs das Traummodell moderner Zukunftsplaner und schon gar nicht der Patienten und des Personals dar. Dezentralisierung, finanzielle Anreizmechanismen zur Budgetunterschreitung und eine Optimierung des Miteinander von privatem und öffentlichem Sektor sollten in Wien eine Verbesserung der Krankenhausversorgung für die Wiener Bevölkerung erreichen. Die Universitätskliniken in Wien, Graz und Innsbruck sollten wegen ihres überregionalen Leistungsauftrages aus den Ländertöpfen ausgegliedert werden.

Der Autor ist

Primär des St Josef-Krankenhauses in Wien und Vorsitzender des Arbeitsausschusses Öffentlichkeitsarbeit der Interessengemeinschaft der Kranken-, Heil-und Pflegeanstalten der Erzdiözese Wien und der Diözese Eisenstadt

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