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Digital und doch nicht besser: Die vermeintliche Konsolidierung des Musikmarkts und das drohende Ende der musikalischen Kreativität.

Es muss wie Balsam auf die Wunden der Musikmanager gewesen sein. Zum ersten Mal seit 14 Jahren gibt es wieder Jubelmeldungen zum heimischen Musikmarkt. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich ist ein leichter prozentueller Anstieg des Umsatzes zu verzeichnen. Freilich ein Pyrrhussieg bei der genaueren Analyse der Zahlen. Konkret ist in Österreich der Digitalmarkt gewachsen. 11,5 Millionen Euro Umsatz wurden mit digitalen Downloads erzielt und 1,5 Millionen Euro mit Streamingdiensten. Die Abverkaufszahlen der CDs sind jedoch immer noch im Sinkflug. Vorläufig kompensiert wird dieses Minus durch den Anstieg der digitalen Verkäufe und der Zunahme der Streamingdienste.

Es ist natürlich erfreulich, dass sich inzwischen auch bei den Internetusern herumgesprchen hat, dass man für Musik auch zahlen kann und darf. Die Lieder können zwar über die Streamingdienste laufend gehört werden, jedoch meist nicht heruntergeladen werden. Viele Streamingdienste werden jedoch bereits über die Mobiletelefonverträge angeboten. Musik "gratis“ im Paket mit SMS und Freiminuten. Dass die Musikindustrie all diese Umsätze zusammenkratzt und zu einem "Sieg“ zusammenrechnet, ist zwar verständlich, verschleiert jedoch die bittere Wahrheit über den Zustand dieser Branche.

Wo ist Österreichs Musikindustrie?

Würde es der Branche wirklich so gut gehen, wie sie kolportiert, dann sollte sich das auch auf das Jobangebot auswirken. Vor 15 Jahren gab es in Österreich noch Niederlassungen aller großen Plattenfirmen. Universal beschäftigte bis zu 50 Mitarbeiter. Sony, BMG, Warner und EMI zumindest die Hälfte. Heute hat Universal seine Mannschaft auf ein Drittel reduziert. Sony ist mit BMG fusioniert und muss den gemeinsamen Katalog mit einem Dutzend verbliebener Mitarbeitern betreuen. Warner und EMI haben sich völlig aus Österreich zurückgezogen. Das hat direkte Auswirkungen auf die Förderung der heimischen Talente. Es gibt praktisch keine Talentscouts mehr oder Abteilungen, welche für das Aufspüren und Aufbauen junger Musiker und Bands zuständig sind. Dafür gibt es Informatiker, welche in fernen Büros sitzen und Programme schreiben um die "richtigen“ Lieder und Künstler in sozialen Medien zu pushen.

Dies hat direkte Auswirkungen auf den Handel. Mittlerweile gibt es in Österreich kein einziges Geschäft mehr, welches ein Vollsortiment bietet, sprich: alle aktuellen Musik-Neuheiten auf Lager hat. Der Mitabeiterstab wird überall jährlich verkleinert. Die verbliebenen Kräfte müssen trotzdem jedes Jahr ihre Umsätze steigern. So verlangen es die Konzerne. Experten und Fachkräfte sind schon lange aus diesem System ausgestiegen, was auch dazu führt, dass die wenigen Kunden, die es noch wagen, Fragen an einen Verkäufer zu stellen, auf frustrierte und überforderte Angestellte treffen.

Ein Branchenfremder wie die Drogerie-Kette Müller wiederum braucht keine Fachkräfte. Das Sortiment wird dort von Deutschland bestückt und geliefert. Das wiederum bewirkt, dass Unmengen an Musik von diversen norddeutschen Künstlern geliefert werden, welche bei uns gänzlich unbekannt sind. Dass man in Wien keine "Bläck Fööss“-CDs in großen Mengen verkaufen kann, interessiert das zuständige Computerprogramm wenig. Unverkäufliches geht zurück nach Deutschland. Der langfristige Verkauf von physischen Tonträgern (CDs & LPs) wird aber keine Zukunft haben, wenn weder die Vertriebsfirmen noch der Handel dafür Platz einräumen. So wird der digitale Umsatz nicht mehr ausreichen und auch versiegen. Denn dieser braucht auch Musiker und physische Tonträger als Impulsgeber.

Geld fließt dennoch genug

Anderseits wurde noch nie soviel mit Musik verdient wie zurzeit. Versuche wie jene der Beatles vor 50 Jahren, mit Musik Geld zu machen, erscheinen ver-glichen mit heutigen Verhältnissen, wie bescheidene Spendensammlungen. Madonna hat 2012 35 Millionen US-Dollar verdient. Davon entfallen 32 Millionen auf ihre Tournee. Der Rest sind Einnahmen aus der Musik. Dieses Muster lässt sich auf fast alle Großverdiener der Branche umlegen. Die Einkünfte aus der Musik liegen meist unter 10 Prozent von den Gesamteinkünften. Bekannte Musiker wie etwa U2 kompensieren Umsatzeinbußen seitens des CD-Verkaufes durch Welttourneen, Werbedeals und dem Verkauf von eigenen Werbeartikeln. Das Business funktioniert perfekt für die Reichen und Berühmten. Auf der Strecke bleiben junge Musiker, für die es kein Geld und keine Strukturen mehr gibt. Die Millionen aus der Musikbranche fließen heute in Kanäle, welche mit Kreativität und Aufbau junger Musiker wenig zu tun haben. Es ist nicht bekannt, dass Madonna ein Programm zur Förderung junger Künstler unterhält und finanziert.

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