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Vom Banat nach Elsaß-Lothringen

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Die Nachkriegszeit hat Millionen Deutscher auf der Wanderung von ihren seit Jahrhunderten innegehabten Wohnplätzen an neue Orte gesehen. In diesem großen Zug, zweifellos einer der traurigsten Erscheinungen der europäischen Nachkriegszeit, befanden sich bekanntlich auch die Banater Schwaben, Volkstum zumeist aus dem alemannischen Siedlungsraum zwischen der oberen Donau und den Vogesen stammend., Das Banater Schwabentum gehörte zum besten Menschenschlag in dem Völkergemisch der alten Habsburgermonarchie; begabt, fleißig; sparsam, kinderreich, wohlhabend, bildeten sie das Beispiel eines Volkes, das seine Kraft aus seinem wurzel-~ festen Christentum und der Gesundheit seines Familienlebens schöpfte.

In Erinnerung daran, daß ein Teil dieser Banater Nachfahren einstiger Auswanderer aus Elsaß-Lothringen sind, hat man den ebenso klugen wie großzügigen Entschluß gefaßt, die Abkömmlinge dieser vor etwa 200 Jahren an die untere Donau Abgewanderten zurückzuholen, wertvolle Blutauffrischung für die einstige Heimat. Mit Unterstützung französischer Stellen, hat die französische Republik ihnen Gelegenheit gegeben, in ihre Heimat zurückzukehren. In Bayern wurden schon im vergangenen Jahr Lager errichtet, in Rastatt in Baden ebenso und schließlich wurde auch jenseits des Rheins ein großes Zentrum geschaffen, in dem die Neuankömmlinge untergebracht wurden und ihr künftiger Berufseinsatz als Landarbeiter, Handwerker und manchmal auch in der Industrie vorbereitet wurde.

Auch in Wien haben die französischen Behörden, die bei dieser Aktion in ihrer Heimat seitens der katholischen Kirche weitgehend unterstützt werden, eine Erfassung der Elsaß-Lothringischen Banater und ihre Überstellung nach Süd-Württemberg und von dort nach Frankreich, durchgeführt.

Man wird vielleicht glauben, daß, nur materielle Gesichtspunkte die Banater veranlassen, auf das großzügige Angebot von französischer Seite einzugehen. Daß nur die große Not in Deutschland also sie dazu bringt, ihre neuen Arbeitsplätze jenseits des Rheins zu \ suchen. Jeder Kenner der Verhältnisse weiß aber, daß diese Meinung irrig ist. Während vielfach Auswanderer völlig vergessen, aus welchem Gebiet ihre Vpreltern einst stammten, war dies im Banat nie der Fall. Die einzelnen Dörfer, eingebettet in die Siedlungen der Rumänen und Serben, der Ungarn und Slowaken, ja selbst bulgarischer Splitter und kleiner kroatischer Gruppen, hielten ihre Tradition fest, führten Stammrollen für ihre Familiennachweise, pflegten ihre alten Gebräuche und bewahrten selbst dialektische Unterschiede, je nach ihrer Herkunft. Die Banater wußten meist genau, aus welchem Landesteil der österreichisch-ungarischen Monarchie oder eines deutschen Staates ihre Ahnen gekommen waren. Sie interessierten sich für die Gebräuche dieser einstigen Heimat und versuchten die kulturelle Verbindung nicht zu verlieren.

Ein schönes Beispiel dafür bildeten die drei einst französisch sprechenden Lothringer Dörfer Charleville, Seultour und Saint Hubert im Westbanat.

Diese Orte waren im 18. Jahrhundert entstanden und behielten Jahrzehnte ihren französischen Charakter bei. Umgeben von deutschen Siedlungen in der Nähe der Stadt Kikinda, wurden diese Orte allerdings schließlich eingedeutscht, ohne daß in ihnen das Wissen um die französische Herkunft verflachte. Ihre Schulen hielten, nachdem die drei Dörfer 1921 bei der Teilung des Banats zwischen Rumänien und Jugoslawien an letzteres fielen. einige französische Wochenstunden aufrecht. Viele hunderte Kilometer von Frankreich entfernt, zierte noch 1919 in öffentlichen Gebäuden neben dem Bild des jugoslawischen Königs auch das des französischen Staatspräsidenten die Wände. Erst nach der deutschen mi!:täri-schen Besetzung 1941 wurde gegen diese französische Tradition vorgegangen.

Charleville wurde im Laufe der Zeit über Karolyi Liget und „Sarlevil“, schließlich „Scharlvil“ — Seultour über S'zent Borbala und Solour, ein „Solturn“ — und Saint Hubert — das am glimpflichsten wegkam — über Szent Hubert und Sveti Hubert, ein „Sankt Hubert“. Es ist bemerkenswert, daß die Zahl der Freiwilligen, die sich in den letzten Kriegsjahren zur SS-Division ,.Prinz Eugen“ meldeten, in diesen drei Dörfern geringer war, als in anderen der Umgebung.

Unter den Banater Nachkommen der elsaßlothringischen Einwanderer des 18. Jahrhunderts, die nunmehr in dje alte Heimat zurückkehren, werden auch Überlebende aus diesen drei französischen Dörfern des Westbanates sein.

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