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Die Banater und Österreich

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Doch das Banat war nicht nur Flachland. Der gebirgige Teil am östlichen Rande ist reich an Kohle und Erz. Die Steierdorf-Aninaer Kohlenbergwerke sowie die Re-schitzaer Eisenwerke sind dominierend im wirtschaftlichen Sektor. Nicht umsonst bezeichnete man sie später als die kleinen Kruppwerke des Balkans. Um die wirtschaftliche Ausbeute dieser Erdschätze sicherzustellen, berief man Bergwerksleute aus . Kärnten, Steiermark und Tirol. Bis heute fand man geschlossene Ortschaften wie Steierdorf, Franzdorf, Tirol, Ferdinandsberg, die als Nachkommen dieser Kolonisten Mundart, Sitten und Gebräuche ihrer österreichischen Heimat Generationen hindurch treu und unverfälscht erhalten haben.

Nach der Türkenbefreiung verblieb das Banat Krongut des habsburgischen Kaiserhauses und mithin unmittelbarer Bestandteil der Monarchie. Im Jahre 1780 jedoch wurde das Banat durch die Eingliederung zu Ungarn der politischen Notwendigkeit geopfert. Die Kaiserin Maria Theresia war durch den Krieg mit Friedrich II. in große * Bedrängnis geraten und das Banat bildete den Preis für die Waffenhilfe der ungarischen Stände. Im übrigen verblieb der deutsche, kolonisatorisch aufblühende Landstrich in grundherrschaftlicher Rechtsbeziehung weiterhin im Besitz der kaiserlichen Hofkammer.

Die kulturelle und wirtschaftliche Struktur der österreichisch-ungarischen Monarchie war damals noch eine derart günstige, daß eine nationale Bedrängung der in Ungarn lebenden Minderheiten Jahrzehnte hindurch nicht in Erscheinung trat. Unter dem Einfluß der k. k. Militärgrenze und ihres heißpulsierenden Lebens entwickelte sich Temesburg, die Metropole des Banats, zu einer Garnisonsstadt, die man wegen ihres hochstehenden Kultur- und Gesellschaftslebens „Klein-Wien“ nannte. Wiener Theatergesellschaften spielten auf der städtischen Bühne, Wiener Mode- und Geistesrichtung dominierte auf allen Gebieten des Lebens. Temesburg, das spätere Temesvar, wirkte als Träger und Mittler des südöstlichen Kulturaustausches, in dessen Brennpunkt immer die alte Kaiserstadt Wien stand.

Wie weit Wien nicht nur Befruchtung und Anregung ausstrahlte, sondern selbst schöpferische Ausdeutung und Bereicherung seiner Kultur in weitgehendstem Ausmaße empfing, geht aus jenen Wechselbeziehungen hervor, die die zwei bedeutendsten Geistesheroen, die das Banat hervorgebracht hat, Nikolaus Lenau, den größten Lyriker des Südostraumes, und Adam Müller-Gutten-brunn, den kraftvollen Epiker, in den Wiener Kulturkreis einmünden ließ.

Sie trugen nicht nur den Quell aus heimatlichem Born über den enggezogenen Rahmen ihres Landes in alle Welt hinaus, sondern wurden Kinder einer allgemein-menschlichen Kultursendung im Südostraum, die Wien unabweislich zum geistigen Mittelpunkt erkor.

Wien war stets das Ziel aller lernbegierigen Jugend. Von der Wiener Universität und der Akademie holten sich stets unsere Besten das geistige Rüstzeug für Beruf und Leben.

Auch im wirtschaftlichen Leben des Ba-nates war Wien zur großen Mittlerin zwischen dem Südosten und Westen bestimmt. Die landwirtschaftliche Erzeugung des Banats fand in Wien glänzende Absatzmärkte und eine hervorragende Ergänzung und Kompensation für seinen Bedarf an Landmaschinen und Industrieartikeln. Der Wiener Konsum deckte seinen Bedarf an Weizen und Mahlprodukten sowie an Schlachtvieh fast ausschließlich aus dem Südostraum. Der Donauweg mit seinen billigen Frachtsätzen trug nicht minder dazu bei, Austausch und Handel zu beleben.

Das Banat war in stetigem Aufstieg und Wohlstand bereits in das Stadium höchster Blüteentfakung gelangt, als der erste Weltkrieg seiner Höherentwicklung einen jähen Sturz zufügte.

Das Banat, diese geographische und wirtschaftliche Einheit wurde in den Friedensverträgen in drei Teile zerrissen. Der eine Teil kam zu Rumänien, der andere zu Jugoslawien, ein kleiner Rest verblieb bei Ungarn. Die Grenze ging mitten durch das Herz des Landes. Der Riß trennte Familie von Familie.

Wieder raffte sich das Banater Schwaben-tum aus seiner Zerrüttung auf. Wieder be-die Früchte seines Schweißes kamen wieder den alten Beziehungen und dem österreichischen Brudervolk zugute, dem die Lieferungen unablässig zurollt m. Zehn Jahre hindurch hatten die Banater Schwaben Wiener Kinder auf Ferienerholung bei sich aufgenommen.

Die Loyalität der Banater Schwaben war mustergültig Sie waren das friedliche, arbeitsame, zuverlässige, staatserhaltende und bindende Element im aufgewühltem bunten Völkergemisch am Rande des Balkans. Dem ungarischen Staate gaben sie bedeutende Verwalter, Finanzleute und Politiker. Der Staatsmann und wiederholt als Ministerpräsident führend in die ungarische Geschichte eingreifende Ministerpräsident W e k e r 1 e, war Banater Schwabe, ebenso Georg r. Linder, der gewesene Parlamentarier, der Berater des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. Mit den umgebenden Völkern und Nationen pflogen sie ein Harmonisch-friedliches Zusammenleben. Ihr beträchtliches 'Nationalvermögen, ihre allgemeine Wohlhabenheit und ihr großer Kinderreichtum, ihr Fleiß, ihre Ordnungsliebe und Ehrlichkeit verliehen ihnen Kraft, Ansehen und Würde unter den Mitvölkern.

Erst der Nazismus mußte Anlaß werden, daß im Gefolge der stürmischen Ereignisse das große Verhängnis über das Banater Sdiwabentum hereinbrach und es seinen Todesstreich empfing.

Die gesegneten Fluren des Banats wurden Schauplatz des Kriegsgeschehens. Das Gebiet wurde von ungarischen und deutschen Truppen überrannt. In diesem Teil wurde die Bevölkerung unter militärischem Befehl zwangsevakuiert. Der andere Teil, der nicht entfernt werden konnte, erlebte unter dem harten Kriegsgesetz ein nicht minder grausames Geschick.

200jähriges ehrenreiches Ahnenerbe, das Werk mühsamer Kolonisation, liegt heute in Trümmern.

Diejenigen, die Gelegenheit hatten, das Banater Schwabentum in den stolzen Tagen gastlicher Freiheit kennenzulernen, werden ermessen, was sie verloren und mit ihnen auch Österreich.

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