"Herr der Ringe" mit Musik und Gesang

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Mit der Premiere von "Rheingold" wurde der neue "Ring" an der Staatsoper abgeschlossen. Erneut triumphierte Dirigent Franz Welser-Möst, auch das Regiekonzept ging diesmal auf.

Es ist vollbracht: Der neue "Ring des Nibelungen" an der Wiener Staatsoper ist geschmiedet. Mit der Premiere des "Rheingolds" wurde die Neuinszenierung der monumentalen Operntetralogie abgeschlossen. Rund 15 Stunden reine Spieldauer umfassen die vier Teile des gigantischen Bühnenfestspiels, in dem Richard Wagner germanische Heldensagen und Göttermythen zu einem Weltendrama verwob. Die Produktion eines "Rings" ist das Bravourstück jedes Opernhauses. Die soeben vollendete ist erst die dritte vollständige Neuinszenierung an der Staatsoper seit 1945. Musikalisch ist sie ein echter Hit, aber an der Regie scheiden sich die Geister.

Von allen vier Teilen des neuen Wiener "Rings" kam das "Rheingold" beim Premierenpublikum am besten an. Schon bei "Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" waren Dirigent Franz Welser-Möst und einzelne Sänger mit Begeisterungsstürmen bedankt worden, doch diesmal wurden auch Regisseur Sven-Eric Bechtolf "Bravo"-Rufe zuteil. Sein viel kritisiertes Konzept der "vorsätzlichen Naivität", das man auch mit dem Begriff "Werktreue" umschreiben könnte, ist offenbar einmal aufgegangen.

Der Regisseur lehnt jegliche Interpretation des Werkes und jede Bezugnahme zu Gegenwart oder Geschichte ab. Auch das "Rheingold" erzählt er mehr oder weniger so, wie Wagner es niedergeschrieben hat: als abenteuerlichen Mythos von den nordischen Göttern, die sich mit einem vom Zwergenkönig Alberich geraubten Goldschatz, inklusive verfluchtem Ring, aus der Gewalt zweier Riesen freikaufen und damit ihren späteren Untergang besiegeln. Das geht mit dem "Rheingold" deshalb gut, weil diese Oper von allen Teilen der Tetralogie die meiste Handlung und viele Dialoge enthält (Welser-Möst spricht sogar von einem "Konversationsstück").

Wie es im Textbuch steht

Obwohl das karg und kühl gehaltene Bühnenbild (Rolf Glittenberg) ästhetisch noch am ehesten etwas mit der Gegenwart zu tun hat, spielt die erste Szene tatsächlich am Grund des Rheins, wie vom Komponisten vorgeschrieben. Auch die Gebirgslandschaft ist eine Gebirgslandschaft und das unterirdische Zwergenreich ein unterirdisches Zwergenreich. Bei der Bühnenkleidung (Marianne Glittenberg) reicht die Palette von zeitgenössischer Garderobe bis zu Fantasykostümen. Der oberste Gott Wotan (Juha Uusitalo) trägt zwar Anzug und Mantel, hält aber meist einen Speer in Händen. Das wallende Kleid und die Frisur der Göttin Freia (Ricarda Merbeth) wären auch im 19. Jahrhundert locker durchgegangen. Die mächtigen Körper der beiden Riesen Fafner (Ain Anger) und Fasolt (Sorin Coliban) bestehen aus Gesteinsbrocken, als wären sie computeranimierte Figuren aus einem zeitgenössischen Fantasyfilm: der "Ring des Nibelungen" als "Herr der Ringe" mit Musik und Gesang.

Der umjubelte Welser-Möst heizt dem Staatsopernorchester ordentlich ein: Die Spieldauer bleibt unter der Richtmarke von zweieinhalb Stunden. Das hohe Tempo bewährt sich dort, wo die Handlung voranschreitet, weniger aber beim Vorspiel. Diese großartige Naturschilderung, die in das Rauschen der Fluten des Rheins mündet, hätte ruhig auch eine geringere Geschwindigkeit vertragen. Vielleicht fiel der Jubel für den designierten Musikdirektor der Staatsoper deshalb ein kleines Bisschen weniger enthusiastisch aus als etwa bei der "Götterdämmerung". Keine Frage: Ein Riesenerfolg für Dirigent und Orchester ist dieses "Rheingold" - wie auch der gesamte "Ring" - allemal.

Die Sänger lieferten durchwegs gute Leistungen ab, genannt seien Ileana Tonca, Michaela Selinger und Elisabeth Kulmann als die drei Rheintöchter und Markus Eiche als Donner. Großen Jubel gab es für Sorin Coliban und Ain Anger. Für Begeisterung sorgte Tomasz Konieczny, der als Alberich stimmlich und schauspielerisch überzeugte. Wenn er singend den Ring verflucht, der ihm soeben abgeluchst wurde, dann ist Gänsehaut garantiert. Zum wahren Triumph aber wurde der Premierenabend für Adrian Eröd. Wie er dem listigen Feuergott Loge mit seiner kräftigen, wendigen Stimme und seinem quirligen Spiel Leben und Charakter verlieh, versetzte das Publikum regelrecht in Raserei. Dieser Auftritt bedeutet wohl den endgültigen Durchbruch für den österreichischen Bariton - ausgerechnet in einer Tenorpartie!

Erstaunlich matten Applaus hingegen gab es für den soliden Sänger des Wotan, Juha Uusitalo. Vielleicht hatte ihm das Publikum noch nicht verziehen, dass ihm während der "Walküre"-Premiere vor eineinhalb Jahren die Stimme versagte. Dabei gehört Juha Uusitalos Scheitern ebenso wie Adrian Eröds Triumph zu jenen Dingen, die von diesem "Ring" noch lange in Erinnerung bleiben werden.

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