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Das Wien Museum, vormals "Historisches Museum der Stadt Wien", feiert sein 50-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung, die dem selben Thema gewidmet ist wie die erste Schau anno 1959: dem Illustrator und Bildchronisten der josephinischen Zeit, Hieronymus Löschenkohl.

Damals war es für manche ein "Schandfleck", heute ist es eines der letzten einigermaßen im Originalzustand erhaltenen Baudenkmäler der 1950er Jahre: Das Gebäude des Wien Museums war der erste und für lange Zeit einzige größere Museumsbau der Zweiten Republik. Vor 50 Jahren wurde das "Historische Museum der Stadt Wien", wie es damals hieß, feierlich eröffnet. Dieses Jubiläum begeht das Wien Museum mit einer Sonderausstellung, deren Thema ident ist mit jenem der allerersten Sonderausstellung vor einem halben Jahrhundert: Hieronymus Löschenkohl, eine Art früher Bildreporter aus der Zeit von Kaiser Joseph II., der die Öffentlichkeit mit Darstellungen wichtiger Ereignisse versorgte.

Die Errichtung des Museums sorgte damals, wenige Jahre nach dem Krieg, für heftige Diskussionen. Einigen war die zeitgenössische Architektur grundsätzlich ein Dorn im Auge, andere stießen sich an der Lage des Gebäudes direkt neben der barocken Karlskirche. Heute gilt der Bau als Paradebeispiel für die moderate Moderne, welche die öffentliche Architektur der Wiederaufbaujahre prägte. Architekt Oswald Haerdtl hat den typischen Stil der Fifties mit Werken wie dem Design der "Smart Export"-Zigarettenpackung oder dem Bau der Tanzpavillons im Wiener Volksgarten maßgeblich mitgestaltet.

Die Illusion von "Alt Wien"

Mit dem Umzug der städtischen Sammlungen vom Rathaus in das neue Gebäude war ein Professionalisierungsschub verbunden. Der damalige Direktor Franz Glück ließ die antiquierte Präsentation der Objekte nach Art einer Wunderkammer hinter sich und machte das Museum zu einer zeitgemäßen Bildungsstätte. Diesem Anspruch sieht sich auch der heutige Direktor Wolfgang Kos verpflichtet. In seinen Sonderausstellungen gewinnt das Wien Museum der Stadtgeschichte stets aktuelle Aspekte ab und vermeidet es, in einen nostalgischen, rein retrospektiven Blick zu verfallen. Genannt sei die programmatische Ausstellung "Alt Wien - Die Stadt, die niemals war" (2004), die sich mit dem ewigen Kampf zwischen Alt und Neu auseinandersetzte und vor Augen führte, dass das geliebte Alte von heute immer das verhasste Neue von gestern ist.

Auch die aktuelle Ausstellung ist ein gutes Beispiel für eine moderne Sichtweise auf Stadtgeschichte. Hieronymus Löschenkohl war ein Kupferstecher und Silhouettenschneider, der bunt kolorierte Stiche herstellte, die von politischen Ereignissen, Kriegen, adeligen Festen und sonstigen Begebenheiten berichteten, und der auch allerlei Krimskrams wie bedruckte Fächer, Knöpfe, Glückwunschkarten, Spielkarten oder Puzzles produzierte. Seine in großen Mengen verkauften Abbildungen wurden und werden gerne als Illustrationen in Büchern über das ausgehende 18. Jahrhundert verwendet und prägen daher heute unser Bild der josephinischen Zeit. Löschenkohls Mozart-Silhouette war es, die im Erinnerungsjahr 2006 um die Welt ging, heuer ist es jene Joseph Haydns, die als Logo für des Komponisten Gedenkjahr fungiert.

Für einen verklärten Blick auf die Vergangenheit sind die Löschenkohl-Bilder nicht wirklich tauglich. Im Gegensatz zu seinen unmittelbaren Konkurrenten, die idealisierte Stadtansichten und erhabene Szenen ins Bild setzten, waren Löschenkohls schnell produzierte Darstellungen knallig und volkstümlich, heute würde man "boulevardesk" sagen. Er suchte immer den besonderen Zugang - auch dies ein Wesenszug des modernen Journalismus, als dessen Vorläufer Löschenkohl zu gelten hat. Bei einem Papstbesuch ist es mehr die gaffende Menge als der Heilige Vater, die es Löschenkohl angetan hat, anlässlich der Krönung von Kaiser Leopold II. zum König von Ungarn erregt der Ochse, der zu Ehren des neuen Herrschers geschlachtet werden soll, des Kupferstechers Aufmerksamkeit. Seine wohl bekanntesten Sujets sind jene, die sich mit der Prostitution in jener Zeit auseinandersetzen, etwa das berühmte Bild "Der Schnepfen-Strich am Graben". Wenn Löschenkohl auf einem anderen Blatt wiedergibt, wie den Prostituierten und ihren Freiern die Haare geschoren werden, gilt sein Mitleid ganz offensichtlich den Bestraften, während er die Sittenwächter mit mehr oder weniger subtilem Spott überzieht.

Auf der Höhe der jeweiligen Zeit

In der aktuellen Löschenkohl-Ausstellung ist ein Teil der seinerzeitigen Eröffnungsausstellung aus dem Jahr 1959 rekonstruiert. Trotz handgeschriebener Beschriftungen, mit Stoff im Stil der damaligen Zeit bezogener Stellwände et cetera war auch die damalige Schau offensichtlich auf der Höhe der Zeit. Diese Selbstreflexion ist bezeichnend für das heutige Wien Museum: So sind bestimmte bauliche Elemente des Gebäudes, etwa die Handläufe im Stiegenhaus oder die metallischen Eloxaloberflächen, mit Beschriftungen versehen - genauso wie die altehrwürdigen Relikte der Türkenbelagerung oder Skulpturen des Stephansdoms der Schausammlung.

Hieronymus Löschenkohl. Sensationen aus dem alten Wien

Wien Museum

bis 16. August, Di-So 9-18 Uhr

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