6676941-1961_26_24.jpg
Digital In Arbeit

„Santa Maria” Über Österreich

Werbung
Werbung
Werbung

Das ist keineswegs ein Druckfehler oder ein Aprilscherz, denn die ,,Caravelle VII” mit amerikanischen General Electric-CJ-8O5-23.C- Mantelstromtriebwerken, kiirzlich leitenden Herren der AUA und fuhrenden Luftfahrtpubli- zisten erstmals vorgestellt, trug tatsachlich diesen Namen, und nicht nur das, sie trug ihn von Toulouse nach den USA und zuriick, also auf den Spuren des groBen Don Cristobal Colon, den wir Christoph Columbus nennen . . .

Der Sinn dieser Pressevorfuhrung war einfach: Nachdem erst kiirzlich verantwortliche Fachleute von Boeing bei der AUA vorgesprochen und ihr den Mittelstreckenjet ,,Boeing 727” anempfoh- len hatten, der allerdings erst als Modell und auf dem ReiBbrett existiert, fuhren Sud Aviation, General Electric und Lear mit weitaus massi- verem Geschiitz auf: sie brachten den Prototyp der neuen franzosisch-amerikanischen „Cara- velle VII” nach Wien, um ihn hier offiziell und nicht ganzlich ohne Hintergedanken vorzu- stellen.

Der Plan diirfte gegliickt sein, man war all- seits begeisteit. Nun, der neue Jet hatte aber auch allerhand aufzuweisen, im Vergleich zur „konventionellen ,Caravelle’“, die sich ein wah- res „Stelldichein” gab — mit Air France, Sabena und SAS-Maschinen desselben Typs —, um den neuen Sprofiling des bewahrten Stammes zu besichtigen:

um fast 50 Prozent mehr Startschub, um rund 40 Prozent grofiere Reichweite, wesentlich geringerer Larmpegel, wesentlich kiirzere Startstrecke (1100 Meter Pistenlang”!),

‘sehr wirksame Schubumkehr, daher wesentlich kiirzere Landestrecke und auch auf kleinen Pisten verlafilich verwendbar.

Die fast 50 Prozent zusatzlichen Startschubs bekamen wir beim anschliefienden Presseflug sehr wirksam vordemonstriert. Was da an ge- ballter Kraft (immerhin ein Schub von 2 X 7000 Kp Statt bisher 2 X 4760 Kp) los- jagte, muB man einfach erlebt haben, desgleichen die Schubumkehr, die rund 40 Prozent des Startschubs der Rollrichtung entgegenblast und die Rollstrecke wesentlich verkiitzt. Dies wurde durch einen sehr wirksamen Klappenmechanis- mus am Triebwerksheck erreicht, was anschlie- Bend auch auf dem Boden vordemonstiert wurde.

Auch der Fhtg war eindrucksvoll. In einer runden Flugstunde wurde die Strecke Wien- Graz—Klagenfurt—Wien zuriickgelegt und dabei in enorm kurzer Zeit die „Reiseflughdhe” von gut 10.000 Metern erreicht.

Die neue Version dieses bewahrten Typs bringt also eine Menge guter Eigenschaften mit, wobei fiir den „kleinen Mann” vor allem die Tatsache interessant sein wird, daB manche „CaraveIles” mit bisherigem Triebwerk auf man- chen Platzen nur mit gedrosselten Kraften star- ten durften, weil die voile Startleistung den maximalen Gerauschpegel dieses Platzes iiber- schritten hatte. Nun, diese Sorgen braucht die „Caravelle VII” nicht zu haben: ihre Phon- leistung liegt weit unter den zulassigen Hochst- grenzen. Lind die Vibrationsfreiheit des Reise- fluges — iibrigens ist das Kabinengerausch etwa dem Summen eines OBB-Triebwagens vergleich-

bar — konnte ich (in Erinnerung, einen solchen Test einmal gelesen zu haben) mit einem Schilling beweisen, einem Schilling namlich, der minutenlang, ohne zu zittern, auf der Kante und auf meinem Serviertischchen stehen blieb.

Zuriick zur AUA. Sie hat ja bekanntlich die Absicht, sich Jets anzuschaffen, was sich friiher oder sparer aus Konkurrenzgriinden nicht um- gehen lassen wird. Es sei denn, sie entscheidet sich fiir den „groBen Bruder” der „Vickers- Viscount”, den ,,Vanguard”, der bereits auf einer ganzen Reihe von Strecken giiltige Diisen- flugzeiten unterboten hat, weil er im Mittel- streckenbereich wirtschaftlicher fliegt. Die neue „Caravelle VII” aber schafft es auch im Mittel- streckenbereich, wirtschaftlich zu bleiben und ware in ihrer ganzen Auslegung genau der Typ, den unsere ,,friendly Airline” brauchen wurde, brauchen konnte. Die vielempfohlene ,.Boeing 727” steht erstens erst auf dem (Zeichen-) Papier und wird durch den hoheren Fassungs- raum (bis zu 90 Passagiere!) fiir das Normal- aufkommen der AUA unwirtschaftlich. Uberdies konnte sie erst 1964 geliefert werden, wahrend die „Caravelle VII” schon im kommenden Jahr bereitstiinde, genau zur richtigen Zeit, um in- zwischen die Umschulung des Personals auf den neuen Typ durchzufiihren.

LIngeklart bleibt naturlich die Frage, wie die Finanzierung durchzufiihren ware (die „Cara- velle VII” liegt an sich preislich sehr giinstig) und was mit dem Bestand an eben erst ange- schafften „Vickers-Super-Viscounts” zu ge- schehen hat. Aber auch diese Probleme sollten bei einem nationalen Luftverkehrsunternehmen nicht unlosbar sein. Zu hoffen ist, daB — wie versprochen — bei Bereinigung all dieser Probleme auch der osterreichische Binnenflugver- kehr nicht vergessen wird. Denn daB dieser auch nicht mit dem neuen Jet der ALIA, sondern nur mit zweimotorigen Turboprops wirtschaftlich sein wird, bedarf keines weiteren Beweises.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung