"Was nützt Autonomie in einer Zelle?“

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Der Wiener Bildungswissenschafter Stefan Hopmann über die Chancen und Risken von mehr Schulautonomie - und die kolportierten Pläne der Koalitionsverhandler.

Die Furche: Herr Professor Hopmann, was halten Sie von der politischen Strategie, Strukturfragen über Eltern- oder Lehrerabstimmungen zu entscheiden?

Stefan Hopmann: Das würde eine komplette Überforderung bedeuten, denn Eltern und Lehrer können nicht Verantwortung für das Gesamtangebot im Einzugsbereich übernehmen. Auch das Haslauer-Modell (s.o.) ist unausgegoren: Glauben Sie, dass die beteiligten Eltern sich ihr Gymnasium einfach wegnehmen und die Lehrer sich in eine andere Schulform transferieren lassen? Wenn man fünf Jahre lang brutale Schulkämpfe erleben will, dann soll man das so machen.

Die Furche: Welche Art von Schulautonomie wäre wünschenswert?

Hopmann: Bei echter Autonomie gibt es die Möglichkeit, den Schulalltag, den Stundenplan, die Arbeitsverteilung und die Beschäftigtenstruktur den lokalen Bedürfnissen anzupassen. Die erforderlichen Werkzeuge sind auf Kontrollseite längst da - etwa in Form der Bildungsstandards. Was fehlt, ist die Handlungsseite. Doch dazu braucht es die gesamte Schulgemeinde, ein Schulleiter allein wäre komplett überfordert. Das Problem ist, dass es dafür keine Kultur gibt: Bislang beschränkt sich die Mitsprache der Eltern meist darauf, wer beim Tag der offenen Tür die belegten Brote übernimmt. Als Pessimist befürchte ich auch, dass die Politik an den Rahmenregeln wie Lehrerdienstrecht oder Budgetrecht nichts ändern wird. Doch was nützt es, wenn dich jemand in einer vergitterten Zelle für autonom erklärt? Eine solche Halbautonomie würde wie ein Katalysator wirken: Die starken Schulen werden stärker, die schwachen schwächer. Schulautonomie ist eben kein Selbstläufer: Sie macht nicht automatisch alles besser.

Die Furche: Das befürchten auch die Lehrervertreter: Sollen Direktoren ihre Pädagogen frei auswählen und auch kündigen können?

Hopmann: Ich halte es für ein Unding, dass die Tatsache, nicht unterrichten zu können, in Österreich kein Entlassungsgrund für Lehrer ist. Aber mir geht es nicht so sehr um das Kündigungsrecht, sondern darum, überhaupt einmal auf so genannte "Wanderpokale“ einwirken zu können. Das ist wirksamer als jede Schulaufsicht.

Die Furche: Sind die Direktoren für all das ausreichend ausgebildet?

Hopmann: Nein. Die Leadership Academy (geleitet vom Innsbrucker Lehrerbildner Michael Schratz, Anm.) macht gute Arbeit, ist aber auf den derzeitigen Rahmen abgestimmt.

Die Furche: Wer sollte die Direktoren selbst künftig wählen?

Hopmann: Derzeit haben in Österreich viele Schulleiterpositionen noch ein schwarzes oder rotes Fähnchen, das darf nicht sein. Ich würde aber auch nicht so radikal sein wie in Dänemark, wo die Eltern entscheiden können. Auch das Lehrerkollegium darf sich seinen Chef nicht aussuchen, damit würde man diese Person komplett überlasten. Aber es müssen alle an der Schule eine relevante Stimme haben.

Die Furche: Und was ist mit den beliebten "objektiven“ Assessments?

Hopmann: Das ist ein Spiel für die Galerie, denn es gibt kein Standardmodell eines guten Schulleiters. Man braucht immer Personen, die zu den konkreten Problemlagen passen. (dh)

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