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Die Malerin des ostafrikanischen Urwalds

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Joy Adamson ist eine gebürtige Österreicherin, ihr Mädchenname war Geßner. Einige Jahre vor dem Ausbruch des Krieges kam sie als Gattin eines Naturforschers nach Kenia. Das Talent zum Malen ist bei ihr ein mütterliches Erbe, doch hat sie es der Bildhauerei zuliebe lange vernachlässigt. Erst in Kenia befaßte sie sich eingehend mit der Malerei.

Es war das Gebot der Stunde. Die Pflanzen, die Joy Adamson mit ihrem Gatten auf den Expeditionen fand, welkten in wenigen Stunden in der tropischen Hitze dahin. Es galt, sie in ihrer naturgetreuen Farbe und Form wiederzugeben. Sie forderten ihr Talent heraus, denn wie leuchtende Edelsteine schimmerten sie oft durch den undurchdringlichen Busch oder in den blauschwarzen Lavafeldern der erloschenen Vulkane.

So begann der Kampf der Künstlerin mit der Natur. Während des Malens konnte sie das Welken der Blumen beobachten, und nicht selten stellte sie sich die Frage: Kann ich die Arbeit beenden, bevor die Blüte schlaff und fahl wird und stirbt? Joy malte genau jedes Äderchen, jeden Blattrand und jedes Staubgefäß. Galt es doch nicht nur schöne Bilder zu malen, sondern in erster Linie jede Spezies botanisch einwandfrei für die Sammlung des ostafrikanischen Museums festzuhalten! Mit wahrem Fanatismus gab sich die Künstlerin dieser Aufgabe hin.

Wo Begeisterung sich mit Liebe und Talent paart, kann etwa Gutes entstehen. Dort gibt es keinen Zweifel und kein Suchen. Das bewies auch das Resultat, das die junge Malerin erzielte. Ihre Blumenbilder fanden großen Anklang und sind heute ein wesentlicher Bestandteil des Museums von Nairobi. Sie wurden in einer kostbaren Kunstdruckausgabe veröffentlicht. Es ist ein Werk, das die gesamte ostafrikanische Flora zusammenfaßt. Die englische Regierung verlieh ihr dafür die goldene Grenfell-Medaille, eine Auszeichnung, die bisher erst dreimal vergeben wurde. Im Auftrag von Lady Moore, der Gattin des Gouverneurs, malte Joy Adamson dann eine Anzahl afrikanischer Bäume.

Der Urwald zog die junge Wienerin immer mehr in seinen Bann. Bald waren es nicht nur die eigenartigen Pflanzen, die sie in ernster Forscherarbeit festzuhalten suchte. Auch die Urbevölkerung dieser Äquatorgegend stellte mit ihren Eigenarten hochinteressante, noch vielfach ungelöste Probleme. Jeder Stamm hat seine Tradition, die in den Riten, in den Waffen, im Schmuck, in der Haartracht und Kleidung verschieden zum Ausdruck gelangen. All diese Randilles, Massaos, Turkanos oder Kikuyus stehen auf einer äußerst primitiven Entwicklungsstufe und haben nicht den geringsten Sinn für Verantwortung und Verläßlichkeit. Sie sind heute noch die echten Vertreter des afrikanischen Urwaldmenschen, der in seiner Urwüchsigkeit von jeder europäischen Kultur unberührt ist. Heute noch!

Joy Adamson hat auf ihren vielen Safaris, die sich bis zum belgischen Kongo,nach Tanganika und zum Viktoriasee,

ausdehnten, reiche Erfahrungen gesammelt. Sie fuhr in die entlegensten Distrikte Kenias und trieb oft nur unter größten Schwierigkeiten oder mit Hilfe von Häuptlingen die charakteristischen Modelle auf, Im Kongo fand sie fast gar keine Urwüchsigkeit mehr. Die Tatsache, daß diese Eingeborenentypen alle im Aussterben begriffen sind, veranlaßle Joy Adamson, alle noch lebenden Stämme ethnologisch zu erfassen und zu porträtieren.

Das war ein großer Entschluß! Sie stellte sich damit eine Aufgabe, die nur mit wahrem Forscherernst, mit Mut und Energie durchzuführen war. Monatelang lebte sie in Zelten, auf die in der Regenzeit das Wasser in Wolkenbrüchen oft fünfmal im Tag niederprasselte. Kälte wechselte mit tropischer Hitze. Urwald mit Lavawüste, Steppe mit Hochgebirge, Begegnungen mit gefährlichen Löwen, Elefanten und Rhinozerossen waren ebenso häufig, wie mit scheu davonlaufenden Giraffenherden. Eine abenteuerliche Safari führte sie zum Rudolfsee, der von Krokodilen bevölkert ist. Bei einem andern Trip wohnte sie einer Eingeborenenregatta am Viktoriasee bei. Uberall malte sie unermüdlich, oft sieben bis acht Stunden im Tag. Dabei schüttelte sie nicht selten Malariafieber. Audi ihre Augen wurden durch die intensive Anstrengung leidend. Aber sie gönnte sich keine Rast. Die Arbeit mußte so bald als möglich beendet werden. Das Pensum war enorm. Viel länger kann sie diese schrecklichen Strapazen physisch nicht mehr aushalten, und in einigen Jahren wird nichts mehr von der alten Urwaldtradition der Neger vorhanden sein. Ein Turkana sagte einmal zu Joy: „Ihr Europäer könnt sehr nützliche, große Dinge herstellen, aber das wichtigste — das Herz — kann nur Gott machen.“

Das Herz des Urwaldmenschen! Wie lange wird es noch schlagen? Die Zivilisation greift überall ein. Die Eingeborenen ziehen sich scheu zurück und degenerieren durch Inzucht. Oder sie misdien sich in den Ortschaften, die an den Hauptstraßen und an der Küste liegen, mit Indern und Weißen.

Darum erfaßte Joy Adamson das urwüchsige Charakteristikum der Neger und trug eine Kollektion sämtlidier ostafrikanischer Negerstämme ethnologisch und künstlerisch zusammen, die in wenigen Jahren einen unschätzbaren Wert für die Wissenschaft darstellen wird.

Nachdem sie nun jahrelang dieser Aufgabe Leben und Gesundheit gewidmet hat, steht sie knapp vor der Vollendung ihres Werkes. Die Porträts sind im Gegensatz zu den zarten Pflanzenbildern großflächig angelegt. Man erkennt an den plastisch gemalten Köpfen die einstige Bildhauerin. (Joy Adamson studierte bei Professor Fraß in Wien.)

Namhafte Persönlichkeiten wollten ihre Eingeborenenporträts kaufen, doch Joy ging auf keines der verlockenden Angebote ein. Sie will der Wissenschaft dienen und die komplette Sammlung diesem Zweck zugute kommen lassen. Die englische Regierung hat Joy Adamson die vollste Anerkennung aussprechen lassen. Im Mai wird in London eine Ausstellung der Kollektion veranstaltet. Es werden dann auch sämtliche Bilder im Vielfarbendruck für die Völkerkundemuseen des Empire zu Studienzwecken vervielfältigt werden. Vor einem Jahr hat die zuständige Stelle bereits 180 Gemälde und in diesem Jahr 240 erworben, ohne aber die Sammlung zu zerreißen.

Es gibt wenig Menschen, die sich eine so außerordentliche Aufgabe zum Ziel setzen und kaum eine zweite Frau, die diesen Anforderungen auch sportlich gewachsen wäre. Unendlicher Idealismus gehört zu so einem aufopferungsvollen Forscherleben. Wenn Joy Adamson diesen Artikel, der sich auf ihre brieflichen Berichte stützt, in ihrem Zelt, weiß Gott wo, im Urwald am Fuß des Kilimandscharo in die Hand bekommen wird, wird sie 6ehr erstaunt sein. Liegt es ihr doch vollkommen fern, sich und ihre Leistungen ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Sie lebt, wie jeder echte Forscher und Künstler, ihrem Ziel. Daß sie in Kenia und London trotzdem bereits einen Namen hat, ist ihren Leistungen zuzuschreiben.

Es ist darum an der Zeit, daß auch die Heimat von ihrem Schaffen und ihrem schweren, gefahrvollen Leben erfährt.

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