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Jahrbuch ohne Ablaufdatum

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Osterreich für Feinschmecker": „Stoff des Genusses", „Von der Kunst des Kochens" und „Vom Denken übers Essen und Trinken" heißen die drei Abteilungen des „Kulinarischen Jahrbuches 1996". Die Herausgeber, Robert Sedlaczek und Christoph Wagner, setzten die im Vorjahr begonnene Reihe fort. Zur handwerklich-sauberen Recherche, kulturgeschichtlicher Information und einer angenehm zu lesenden, nicht schwafelnden Sprache gesellt sich heuer auch noch eine gewisse österreichische Hinterfotzigkeit bei der Textauswahl. Aus dem Nachlaß Helmut Qualtingers stammt ein Sketch über eine Kellerpartie: Bitterböse Satire vom Feinsten.

Willibald Alexis, ein Freund von E.T.A. Hoffmann, Adelbert Chamisso und Joseph von Eichendorff, notierte 1833, die Wiener Küche verstehe „nicht mit dem Bindfleisch umzuge-

hen." Heute wird sie genau dafür gerühmt.

Das Buch enthält unter anderen Texte von Leopold Kohr und Werner Schneyder. Im warenkundlichen Teil wird neben der Tomate der Spargel porträtiert und auch Brillat-Savarins Text aus dem Jahr 1826 nachgedruckt. Der Vorarlberger Kurt Brach-arz („Esaus Erfüllung") ist mit zwei Essays vertreten: Unter dem Titel „Ein Fisch namens Lota" schreibt er über die Trüsche als vergessene Delikatesse, einen Süßwasser-Dorsch, dessen schlechtes Image von Hildegard von Bingen begründet wurde. Brach-arz theoretisiert auch über „Das Werkzeug des Gourmets".

Peter Breitschopf feiert den „Feinschmecker-Intendanten" Heinz Touzminsky vom Meinl am Graben, Wieland Weingärtel ging voriges Jahr vor dem Einkocher Hans Staud auf die Knie, diesmal tut er es vor Rudolf Kellner vom „ Altwienerhof'.

Unter „Genuß mal neun" entdeckt

Wagner Österreichs Regionalküchen". Über den Zusammenhang von schlechtem Essen und schlechter Sprache schreibt der in Innsbruck geborene Angelo Peer, der konstatiert: „Die kulinarische Sprache wird österreichweit auf Wiener Norm ausgerichtet. Im gesamten Sprachraum dominiert immer mehr ... die auf der Grundlage des Nordrhein-Westfälischen und Niedersächsischen entwickelte bundesdeutsche Verkehrssprache". Als geborener Steirer kann ich ihm versichern, daß hinter dem Semmering unter einem „kleinen Bier" noch immer ein wienerisches Seidel verstanden wird. Fazit: Ein Nachschlagewerk für Menschen, denen die Benutzung von Messer und Gabel kein zugepflastertes Gesicht beschert.

DAS KULINARISCHE JAHRBUCH 1996

Von Christoph Wagner und Robert MBM Sedlaczek

Deuticke Verlag, Wien 1996 *™ 312 Seiten, geb., öS34K-

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