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Mit einem Lächeln in den Tod

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Eine Totenmaske mit lächelnden Zügen, das Antlitz einer Unbekannten, deren Leiche man vor der letzten Jahrhundertwende aus der Seine gefischt hat, wurde seinerzeit in unzähligen Reproduktionen verbreitet. Sie inspirierte Odön von Horvath zu einem Drama, mit dem nun das Wiener Volkstheater die Saison eröffnet hat. „Eine Unbekannte aus der Seine”, 1933 geschrieben, erst 1947, nach Horvaths Tod, uraufgeführt, gehört nicht zu den Meisterwerken dieses Autors. Zwar lassen manche Passagen aufhorchen, zwar wirkt es amüsant, wenn sich miese Charaktere durch ihre hohlen Phrasen entlarven, aber der ganz große Wurf ist das Stück nicht.

Eine „Komödie”? Nun, der „Held” Albert, der bei einem Raubversuch einen Uhrmacher getötet hat, kommt jedenfalls ungeschoren davon, gewinnt sogar nach dem Verbrechen seine Geliebte Irene zurück und wird biederer Familienvater. Auf der Strecke bleibt das unbekannte Mädchen, das ihm für die Mordnacht ein Alibi gibt und dann freiwillig ins Wasser geht, um ihn nicht verraten zu können.

Ein Hauch von Raskolnikoff, eine Prise Liliom, ein kräftiger Schuß Undine begleiten diese Handlung um Liebe und Opfer, Leben und Tod. Nicht der Täter sühnt für die Schuld, sondern die unbekannte Zeugin des Verbrechens. Albert, der die Tat aus Verzweiflung über die Abweisung durch Irene begangen hat, erhält die Chance zu einem neuen Anfang. Er darf am Schluß rätseln, ob die lächelnde Totenmaske am Schauplatz seiner Tat zu seinem „Schutzengel” gehört.

Es bedürfte wohl eines genialen Regisseurs und eines ebenso genialen Ensembles, um diesem Stück jene Kraft einzuhauchen, die das Publikum nicht nur mehr oder weniger aufmerksam der Handlung folgen, sondern wirklich mit den Figuren mitfühlen, im alten Sinn des Theaters Furcht und Mitleid empfinden läßt.

Harald Clemens Inszenierung zeigt Horvath-Ver-ständnis, schlägt aber keine Funken. Denn Hauptakteur Andreas Patton (Albert) wirkt zu teilnahmslos, während Anna Franziska Srna (die Unbekannte) einem psychisch zerrütteten Teenager gleicht, den kein besonderes Mysterium umgibt. Die „echteren”, leichter erspielbaren Figuren verkörpern, mitunter etwas zu dick aufgetragen, Nana Krüger (als leidenschaftliche Irene), Toni Böhm (als spießiger Ernst), Rudolf Ju-sits (als hausbackener Emil) und Johanna Mertinz (als solide Lucille). Vor allem das Bühnenbild (Martin Kuku-lies), aber auch die Kostüme (Gabriele Hennig) sind als gelungen hervorzuheben.

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