7113410-1996_06_11.jpg
Digital In Arbeit

Wahn und Allmacht

Werbung
Werbung
Werbung

Ist der Mensch als Gattung Teil der Natur und als solcher von ihr für sein Überleben abhängig, oder steht er als höchst entwickeltes Lebewesen, ausgestattet mit Bewußtsein, Verstand und Vernunft, außerhalb und über ihr und ist daher in der Lage, sie nach seinem Gutdünken zu verändern und zu managen? Die Antwort auf diese Frage entscheidet über unser Verhalten: Leben im Einklang mit der Natur oder Natur als Material in Menschenhand.

Instrument für den Zugriff auf Leben als Managementaufgabe soll die Gentechnik sein: von Tier und Pflanze hin zur DNS-Baustein-Philosophie. Die technokratische Antwort auf das vom Menschen verursachte Artensterben (drei Arten stündlich, über 70 am Tag, 27.000 im Jahr, jede einzelne ein unwiederbringliches Unikat des Lebens) ist die Erzeugung einer industriellen Monokultur. In unsäglicher Überheblichkeit proklamierte ein deutscher Gentechniker: „Der achte Tag der Schöpfung ist angebrochen!" Doch: „Gentechnik ist notwendig und sittlich geboten, um die Schöpfung vor Zerstörung zu retten", argumentiert der renommierte Professor der Biologie und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Hubert Markl, kürzlich im „Spiegel". Im Brustton des naturwissenschaftlichen Wahrheitsanspruches spricht er von der „Pflicht zu einer Moral der Widernatürlichkeit". Und meint, da die fünf Milliarden Erdbewohner seit dem Zeitalter von Ackerbau und Viehzucht ihren Pro-Kopf-Ressourcenverbauch annähernd vertausendfacht haben, sei das „Management der Biosphäre" unumgänglich, sind wir für unser Überleben gezwungen, „gerade unsere Natürlichkeit aufzugeben und uns ganz bewußt anders zu verhalten, als es naturgegebenen Antrieben entspräche".

Was geht in ihren Biokraten-Köpfen vor, daß sie das Ergebnis von Jahrmilliarden der Evolution in ihrem Nicht-wissen-Können um die hochkomplexen Zusammenspiele der Natur und im winzigen Zeitbruchteil ihres irdischen Daseins verbessern wollen? Ich stelle mir das schallende Gelächter eines imaginären Weltgeistes vor ...

Die Autorin ist

freie Publizistin in Wien

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung