6850309-1976_44_06.jpg
Digital In Arbeit

50 Schiffe täglich

Werbung
Werbung
Werbung

Als Ägypten am 6. Juni 1975, nach genau achtjähriger Sperre, den Suezkanal wieder für die Weltschiffahrt freigab, begleiteten diesen ersten Schritt zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Gebietes auf dem afrikanischen und asiatischen Ufer der Wasserstraße nicht nur gute Wünsche und Hoffnungen, sondern auch viel Skepsis. Die Wiederaufbaupläne seien viel zu großspurig und nicht zu finanzieren, räsonierten die einen, und die anderen argumentierten, der Bau immer größerer und schnellerer öltanker sei eine kaum zu verkraftende Konkurrenz für den Suezkanal.

Die Unkenrufer behielten alle Unrecht. Die Bilanz über das erste Betriebsjahr, die kürzlich am Sitz der Kanalbehörde in Ismailia veröffentlicht wurde, zeigt einen deutlichen Gewinn und die steigende Tendenz der Einnahmen. Die Wasserstraße wurde binnen 16 Monaten nicht nur wieder zu einem wichtigen Devisenbringer für Ägypten, sondern auch wieder ein Faktor des Weltverkehrs.

In der Anfangsphase nach der Wiedereröffnung passierten täglich zunächst nur zehn Schiffe den Kanal; gegenwärtig sind es rund 40 bis 50 Einheiten. Allein von Juni bis Dezember 1975 zählte man 5600 Passagen. Gegenwärtig sind ein Drittel der Schiffe Tanker, diese Zahl soll sich nach der Beendigung des bereits projektierten Ausbaues jedoch noch erheblich steigern. Dann wird die Passage interessant auch für die heute noch um das Kap der Guten Hoffnung geleiteten Supertanker. Nach Angaben der Suezkanalbehörde erreichte das Frachtvolumen inzwischen bereits wieder etwa achtzig Prozent des Volumens von vor dem Junikrieg 1967. Erwähnenswert ist auch, daß sich der Transport von Frachtgütern von und nach israelischen Häfen auf Schiffen unter neutraler Flagge völlig reibungslos abwickelt und es bislang zu keinerlei Schwierigkeiten oder Behinderungen kam.

Der Wiederaufbau beschränkte sich bislang auf das Notwendigste. Saudi-Arabien, Kuweit und Abu Dhabi finanzierten vor allem umfangreiche Wohnbauprojekte in den völlig zerstörten Kanalstädten — wie Feisal-City mit 6000 modernen Neubauwohnungen am Stadtrand von Suez, Kuweit-City in der Nähe von Port Said und Seich-Saijjid-City im Weichbild von Ismailia. In Port Said im Entstehen begriffen ist eine großangelegte Freihandelszone; in ihrer Nähe wie in der Nähe von Suez plant man riesige Industriegebiete. Im Umkreis der Gartenstadt Ismailia mit dem Sitz der Kanalbehörde entsteht ein internationales Ferienzentrum. Als Geldgeber gemeldet haben sich mehrere arabische ölstaa-ten, die sich von ihren Investitionen sichere Renditen erhoffen. Weiteren Auftrieb erhalten die Entwicklungsvorhaben jedoch vor allem durch die unerwartet günstige Einnahme- und Gewinnentwicklung aus der Kanalpassage. Schon jetzt lebt wieder eine Viertelmillion Einwohner in der Kanalzone, und die anhaltende Zuwanderung erzwingt geradezu die ständige Verbesserung der Infrastruktur.

Um den Landverkehr vom afrikanischen auf das asiatische Ufer und umgekehrt störungsfrei zu gestalten und die Schiffspassage auf dem Kanal nicht mehr zu behindern, baut man drei unterirdische Tunnels, und zwar bei Suez, bei Deversoir am Großen Bittersee und bei dem im Sechstagekrieg und Ramandanfeld-zug heiß umkämpften El-Kantara. Der Sueztunnel befindet sich bereits im Bau.

Die Hauptsorge gilt jedoch der Vergrößerung des Kanales. Bis 1978 soll er so ausgebaut sein, daß ihn beladene Tanker bis zum Gesamtvolumen von 150.00Q Bruttoregistertonnen passieren können. Die erforderlichen Vertiefungs- und Verbreiterungsarbeiten kosten insgesamt rund drei Milliarden Schweizerfranken. Die Finanzierung ist gesichert und die Arbeiten überschreiten bereits das Planungsstadium. In Kairo betrachtet man den Kanal nicht nur als willkommenenen Devisenbringer, sondern als politisches Symbol für den festen Willen Ägyptens zu einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung