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Aschenbrödel im Feenreich

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Es tut sich plötzlich eine Menge beim Wiener Staatsopernballett. Die Phase des Dornröschenschlafs, in den die Kompanie nach Aurel von Milloss' Abgang gesunken war, ist vorbei. Internationale Tanzstars, bedeutende Choreographen, zu denen die Truppe Kontakte knüpfen wird, prominente Komponisten, die fürs Staatsopernballett neue Werke schreiben... Das sind die Punkte des Totalreformprogramms, mit dem Wiens neuer Staats-opernballettdirektor, Gerhard Brunner, dem Ensemble sozusagen wieder auf die Beine helfen will.

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Es tut sich plötzlich eine Menge beim Wiener Staatsopernballett. Die Phase des Dornröschenschlafs, in den die Kompanie nach Aurel von Milloss' Abgang gesunken war, ist vorbei. Internationale Tanzstars, bedeutende Choreographen, zu denen die Truppe Kontakte knüpfen wird, prominente Komponisten, die fürs Staatsopernballett neue Werke schreiben... Das sind die Punkte des Totalreformprogramms, mit dem Wiens neuer Staats-opernballettdirektor, Gerhard Brunner, dem Ensemble sozusagen wieder auf die Beine helfen will.

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Vor allem das Ballett wird mehr Abende als bisher haben: insgesamt 60 in der kommenden Saison, im Haus am Ring, in der Volksoper und im Theater an der Wien (beim Ballettfestival der Festwochen 1977). Die Zahl der Tänzer bleibt fürs erste gleich; kaum Personalveränderungen, bloß zwei Ungarn erhalten Zeitverträge. Und die Kompanie wird mehr als bisher, auch „draußen“, gezeigt werden: 1978 zum Beispiel bei den Salzburger Festspielen mit Strauss' „Josephslegende“, choreo-graphiert von John Neuemeier (Wiener Premiere: 11. Februar 1977) zusammen mit Hans van Manens neuem Ballett zu Schuberts B-Dur-Klaviertrio, und mit Brahms' „Liebesliederwalzern“, choreographiert von Georges Balanchine (Wiener Premiere: 28. Mai 1977), zusammen mit einem in Auftrag gegebenen Ballett György Ligetis nach Herz-manovsky-Orlando. Auch Einladungen zu Gastspielen nach Israel, London, Florenz und Straßburg liegen bereits vor und sollen 1978 angenommen werden.

Außerdem ist ein Bundesländergast-spielabend geplant, für den die Choreographen Christopher Bruce (Ballet Rambert, London), Jochen Ulrich (Köln), Fred Howald (Hamburg/ Frankfurt) und Heinz Spoerli (Basel) verpflichtet wurden.

Auch die Attraktionen für die Saison 1977 stehen fest: Roman Hau-

benstock-Ramatis „Ulysses“-Ballett; Choreographie: Murray Louis, Licht-regie: Alwyn Nikolais, Titelpartie: Rudolf Nurejew; Stra-winskys „Feuervogel“ in der Choreographie Juri Grigorowitschs; eine Auffrischung des „Don Quijote“ durch Rudolf Nurejew im Frühjahr 1978 und eine Ballettfestwoche im Frühjahr 1978. Mit Kenneth MacMil-lan wird noch wegen einer Choreographie zu Mahlers „Lied von der Erde“ verhandelt. Neu sind auch Werkstattgespräche mit Choreographen (und gleichzeitigen Tanzvorführungen), wobei John Neumeier zu den Themen „Josephslegende“ und „Vertanzter Shakespeare“ bereits zugesagt hat.

Aschenbrödel kann sich also wie im Feenreich fühlen! Aber dafür muß das Staatsopernballett in Hinkunft auch zeigen, was es zu leisten vermag, daß Arbeit Vorrang hat und daß an so vielen Versagern der letzten Jahre „die Anderen“ schuld tragen. Größer kann die Chance jedenfalls nicht sein: kein Mangel an Aufgaben, an Tanzabenden, an Stars, die die Atmosphäre anheizen, an sensationellen Projekten. Aber auch Wiens Publikum wird jetzt beweisen müssen, daß ihm Ballett ein Anliegen ist und daß der Tanz nicht bloß der Lückenbüßer ist, wenn der Operndirektor sparen will oder keine Glanzbesetzung zusammenbekommt.

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